Vielleicht nur mehr Monate,
möglicherweise wenige
Jahre trennen uns vor dem allumfassenden Abschalten aller herkömmlichen analogen
Radioausstrahlungen zugunsten neuer digitaler Übertragungsformen. Noch bleibt
uns die Zeit um die praktische Verwendbarkeit und Empfangseigenschaften anhand
von Radio-Sammlergeräten und solche die es noch werden können in der Gegenwart
nochmalig zu erforschen, zu reparieren und auszuprobieren. Begleiten Sie mich
auf dieser Zeitreise durch die Technikepochen und mehr....
Gesehen als eher
unscheinbare Henkelware im Japan-Look aus der Epoche der ausgehenden 1960er
Jahre von ca. 1966 bis 1970 erweckte dieses Gerät mein Interesse.
Also ein tragbarer Transistorradio mit klappbarem stabilen Tragegriff. Ein an der Front in lateinischem Schriftzug als "All Wave Deluxe" bezeichnetes Gehäuse in Kunststoffrahmen-Pressfaserholz Kombination mit einem Folienüberzug in Holzfurnierimitat. Und das in den kompakten, wenn auch schon nicht mehr ganz zierlichen Maßen wie L: 234mm x H: 145mm x Tiefe: 70mm jeweils zuzüglich der Anbauteile wie etwa die vier stabilen Gummifüßchen mit denen das Gerät ein zerkratzen der Tischoberfläche vermeidet.
Außen mit
attraktiven Chromelementen als Ausdruck des anderswo gerne auch etwas
abschätzig bezeichneten Japanbarocks, den ich hier wie auch anderswo wie etwa
den PKW's jener Zeit als aber eben gerade interessant
und zumeist gestalterisch ansprechend positiv bewertet wissen möchte.
Aber über
Geschmack lässt sich bekanntlich immer streiten was wir hier aber nicht tun
wollen.
Vielleicht war
genau das wiederum das reizbare, dass die Motivation zum Kauf des zwar
günstigen aber auf dem Verkaufsportal im Internet als teilweise defekt
deklarierten Geräts ausgemacht hatte.
Ein schlichtes
Auftreten mit nur zwei Bediendrehknöpfen, dem Lautstärkeregler mit dem
Ein/Ausschalter in der Drehfunktion verkoppelt, sowie den obligatorischen
Abstimmregler die eine Bedienungsanleitung überflüssig werden lässt.
Oben rechts lugt
die konisch geformte Kappe einer zudem einwandfreien zehnteiligen
Teleskopantenne mit 68 cm Nutzlänge hervor.
An der Rückseite,
schon fast versteckt, zumindest jedoch sicher für den Fall des Umkippens in
einer Einbuchtung liegend befindet sich der dreifach
Bandwahlschalter.
Was hier konkret
"Deluxe" sein soll bleibt der jeweiligen
Vorstellungskraft zugewiesen. Selbiges wird uns das "All Wave" an
Fragen abverlangen. Doch dazu später.
Nichts, was sich nach auch damaligen Maßstäben als etwas besonderes, vom
bereits beschriebenen Gehäusedesign abgesehen,
ein wenig abhebt oder bewerten ließe.
Nur drei Frequenzbänder
verraten schon das hier etwas fehlen muss was wir insbesondere in Europa unter
"All Wave" erwarten würden. Nämlich das fehlende Langwellen Band.
Dies mag damals
eine Kaufentscheidung für Geräte in bestimmten Empfangsregionen gewesen sein. Heute
ist es dies naturgemäß nicht.
Das Internet
belegt für uns die Leistungsfähigkeit der japanischen Industrie die immer schon
exportorientiert gedacht und vor allem zum Leidwesen der europäischen Industrie
so auch nachhaltig gehandelt hat.
Wenig überraschend,
dass es auch dieses Modell als Typ 9G-605L
eben mit Langwelle anstelle der Kurzwelle zu kaufen gab wie uns die
französische Sammlerplattform >doctsf< aber
auch ein Tschechisches Auktionsportal belegen.
Es würde mich
nicht überraschen, wenn es auch weitere Versionen wie eine originäre japanische
Inlandsversion mit dann versetztem japanischem FM Band gegeben hätte. Das
japanische Yahoo Verkaufsportal lässt hier mit einigem Aufwand, Phantasie und
Akribie oft interessantes ans transkontinentale oder besser gesagt ans transpazifische Tageslicht gelangen.
Hier noch die "Deutsche Skala" der Quelle Universum Version:
Somit bietet es
uns alltagstauglich UKW von 87 bis 108 MHz. Mittelwelle und den KW Bereich von
3,2 bis 10,0 MHz (~ca. 30 bis 99 m Band), was das damals interessante 49 m Band
mit beinhaltet. Im abschließenden nächtlichen Tests waren auch einige SSB
Amateurfunkstationen stark zu vernehmen. Aber natürlich im AM Demodulator nicht verständlich hörbar.
An der Seite gibt
es eine 3,5 mm Klinkenbuchse für den Mono Kopfhöreranschluß
bei zeitgleichem wegschalten des eingebauten 8 Ohm ca. 10 cm Rundlautsprechers
mit 0,4 Watt und eine ebensolche für den Anschluss eines externen Netzteils für
6 V Gleichspannung.
Deren Buchse
ebenso dann das in zwei Einheiten aufgeteilte Batterie Ensemble mit in Serie
drei x 1,5 V in einer Kunststoffhülse vor dem herausfallen schützt und eine
extra 1,5 V Zelle, jeweils ausgeführt als die "dicken" Typ D
Monozellen elektrisch wegschaltet. Dieses Batteriepack führt dann auch in eine
ernsthafte Gewichtsklasse über 1 kg.
Um dorthin zu gelangen, gilt es an einem, am vorliegenden Gerät leider nicht mehr vollständig erhaltenen, Lederstreifen oben mittig zu ziehen um den vollformatigen Presspappendeckel mit seiner Metallklemmnase für den Verschluss zu lösen und aufzuklappen.
Tischlerische Verarbeitung wenn auch auf einfachem Niveau fällt
mir als Beschreibung dazu ein.
Und schon
präsentiert sich das Chassis, was möglicherweise im Original Abdeckungen in
Kartonausführung gehabt haben könnte (laut Vergleichbildern aber scheinbar dann
doch nicht) und jetzt eine Sicht auf fast alle Bauteile ermöglicht. Ebenso
stark raumfüllend das bereits beschriebene
aufgeteilte Batteriepack.
6 Dioden, 9 japanische PNP Germaniumtransistoren der
Typen
2SA440, 2SA222, 2SA321, 2SB171, 2SB22
An Stromaufnahme im FM Bereich nimmt bei subjektiv eingestellt moderater Zimmerlautstärke das Gerät 14,5 mA (FM LS abgedreht 13,5mA; AM 13,5-14,5 mA).
Wenig genug um mit den
vier D Zellen ausreichend lange und zudem wirtschaftlich haushalten zu können.
Im heutigen Alltags- oder auch nur dem Sammlervorführbetrieb sofern man es
wollte, würde wohl eher ein Steckernetzteil zum Einsatz kommen.
Das Gerät selbst spielte in allen Bändern mit zu erwartenden Schaltkontakt- und Kratzgeräuschen sowohl mit Batterien (Monozellen können heutzutage im Supermarkt gekauft auch wieder teuer sein wie der Autor feststellen durfte) wie auch mit der 6 V Netzteileinspeisung.
Letztere mit dem Pluspol in der Mitte entgegen so manchen
anderen japanischen Geräten die zeitweise diese "Regel" durchbrochen
haben (Siehe der Artikel des Autors zum
Sony Captain 55 ICF-5500M).
Was es im Wesentlichen zu bemängeln gab, das war der schlechte, zudem in der Frequenz um einige MHz deutlich verschobene UKW Empfang.
Optisch machte ich eine UKW Luftspule aus, an der augenscheinlich herumgefummelt worden war um möglicherweise Funkdienste wie Flugfunk, Polizei, Taxi, Rettung etc. vermeintlich oder auch real in der Analogzeit empfangen zu können.
Unter dem
unteren UKW Bandende wären der Euro-Pagerdienst
oder zeitlich noch etwas zurück semikommerzielle Funkdienste präsent gewesen, wie
uns auszugsweise eine Philips Mobilofon SFR 296 also
Mobilkommunikationsanlagenbeschreibung eines "Boatanchor"
Geräts, in unseren Breiten auch "Röhrengrab" genannt belegt.
Das Chassis wirkt
aufgeräumt, alles hat seinen Platz und eine logische Baugruppenzuordnung,
jedoch dabei so eng platziert das eine Bauteilzuordnung und auch Messungen
mitunter sehr schwierig waren.
Es fand sich auf "doctrf.org" ein Schaltplan zur Type 9G-605, das P fehlte dort, was vielleicht auf die hier in der Schaltung fehlende 6V "Power Buchse" hindeuten dürfte die in der Realität jedoch vorhanden ist.
Das tut
aber keinen Abbruch, da zum Einen dieses Detail in der Praxis bis auf
anfängliche Kontaktprobleme funktioniert und zudem ohnehin keine fachliche
Herausforderung darstellt.
Der Aufbau
schließt sich der Logik an und bietet kaum Überraschungen.
Drei Meßpunkte, TP alias "Test Points"
werden ebenso in der Schaltung angeführt, die aber erst nach einigem
herumexperimentieren entsprechend am Print zuordenbar
und nutzbringend wurden. Diese sind herausgeführte Drähte mit einer Öse für ein
Multimeter oder einem Greifer. Im Normalbetrieb aber per transparentem Schlauch
geschützt zusammengebogen.
Mit Hilfe derer
wird die AM sowie FM ZF abgeglichen.
Was aber leider
fehlt, das ist ein verortender Bauteileplan sowie eine
Abgleichanleitung. Und gerade wegen letzterem wollte ich zum Anlass des ohnehin
verstimmten UKW Teils den "Stier bei den Hörnen" packen und mit
allgemein gültigen Abgleichregeln dieses Gerät entsprechend wieder voll
spielbereit machen.
Ich habe daher
ein Bild mit der Zuordnung der Filter angefertigt.
Allgemein gültige
Abstimmregeln heißt in Kurzfassung soviel wie:
Auch wenn AM
funktionierte, wollte ich hier erste Erfahrungen sammeln. Zudem ohne bekannter
Zuordnung der Filter ohnehin ein empirisches verstehen und vorsichtiges
Herantasten notwendig wurde.
Es dauerte etwas,
bis ich lose die Teststrippen mit vom Testgenerator aufgeschalteter
angenommener 455 AM ZF so platziert hatte sodass auch ein (Pfeif-)Ton dabei
herauskam. Besser ging es mit dem induktiven Einspeisen per externem
Ferritstab.
Hier waren aber
alle Filter bereits auf Maxima eingestellt und brachten keine relevante
Verbesserung.
FM war ähnlich,
wenn auch hinsichtlich des korrekten Signalabgreifens am Ratiodetektor etwas
komplexer. Auch hier gab es keine spürbare Verbesserung. Eingespielt wurden
10,7 MHz ebenso lose anliegend in die Schaltung. Der Antenneneingang dafür war
zu sehr entkoppelt was die ZF betraf.
Anders war es nun
beim Tuner also dem Headend.
Auch hier musste
zuerst geklärt werden welche Spule und welcher Trimmkondensator, auch die
rückseitig am Hauptdrehkondensator angebrachten, je welche Funktion hatten.
Mit etwas
Spielerei fanden sich diese. Die UKW Trimmer im Drehko
könnten auch der wahre Grund für die UKW Verstimmung gewesen sein. Erst eine Tunerspray 600 Reinigung und mehrfaches Abgleichen
brachten die Frequenzen dorthin wo sie hingehörten.
Bei AM war zuerst
die MW abzugleichen, dann folgte darauf basierend die Abstimmung für die KW.
Das herumschieben der Induktivitäten am
Ferritstab auf Maxima habe ich aber unterlassen. Hier die Verklebungen der
Spulenwindungen zu lösen und Verbesserungen zu erwarten, war, da so wie schon
erwähnt, AM ohnehin brauchbar war, nicht allzu sinnvoll, bzw. war das Risiko
von Beschädigungen höher als ein möglicher Nutzwert der Aktion.
Wiewohl das Gerät
nun spielte, setzte ich meinen neuen low Budget Joy-it "China Multi-function
Tester" T7 , mittlerweile oft gesehen bei
Sammlerkollegen rund um den Globus ein um einmal die Elkos
auf Kapazität und ESR hin zu messen. Die meisten waren in der Kapazität mehr
als das Doppelte des Nominalwertes was nicht unbedingt störend sein musste.
Dennoch habe ich die meisten ausgewechselt.
Dazu war das
Chassis auszubauen, was zwar etwas Schraub- und Lötarbeit aber keine
Schwierigkeiten aufwarten ließ. Man sollte sich jedoch genau merken oder
fotografieren welche Schraube wo im Detail eingeschraubt war, da es
unterschiedliche Längen wie auch Gewinde gibt.
Den Kunststoff
Subrahmen für den Skalenlauf empfinde ich ebenso gut gemacht. Es bot sich wenn
dann auch etwas eingeschränkt aber immer noch genug Platz um daneben und mit
Sicherheitsabstand zum Skalenseil zu löten.
Dabei wurde
erkennbar, dass die rot gefärbte Messing Skalennadel ihre Farbe etwas
abblättern hat lassen. Hier habe ich mit rotem Farbspray lokal nachgeholfen.
Dies hätte aber nicht unbedingt sein müssen.
Was aber ein
Thema ist, dass ist das Ablösen der sehr eng beieinander liegenden dünnen
Leiterbahnen und Lötaugen beim Herausarbeiten der Elko's
bzw. beim Wiedereinlöten. Hier hat es sicher auch damals schon besseres im
Sinne der Verarbeitung gegeben. Spätestens bei mehrpoligen Bauteilen wie
Transistoren oder gar Filterspulen wäre es sehr herausfordernd geworden.
Die ZF Filter,
hier die Marke Toko möchte ich dabei aber als absolut
löblich deklarieren.
Mit einer
Ausnahme, der letzten AM Stufe, die hinsichtlich der mechanischen Drehbarkeit
etwas kratzig und ruckelig war, waren alle Filter mit
leichtem Drehmoment mittels normalem Schlitzschraubendreher der hier nicht
induktiv verstimmend wirkte auch abstimmbar.
Das verbliebene
Drehmoment gibt zudem die Sicherheit, dass sich die Kerne nicht von selbst
einmal verstimmen werden. Ganz anders ist das mitunter bei Philips und Co. was
aber eine eigene Geschichte ist bzw. noch werden wird.
Technisch ein
einfach gehaltenes Gerät als Spiegel seiner Zeit für die üblichen
Empfangserwartungen und einfach gehaltenen NF Klang Bedürfnisse.
Das Gehäuse mag
es vom damaligen Mitbewerb in Holzimmitation und
Chromfinish als etwas höherwertiger erscheint haben lassen. Ein angenommener
günstiger Kaufpreis für die in den 1960er Jahren zumeist erst im Export Aufbau
befindlichen Fernost Marken wird einen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zur inländischen
Hausmannskost gebracht haben.
Mit dem
verchromten Frontgrill und dem Aussehen eines kleinen
"Weltempfängers" wirkt das Gerät auch in einer Radiosammlung der
Gegenwart (2022) rein optisch noch entsprechend nach.
Für die
Alltagsradiobeschallung aber gibt es höchstwahrscheinlich anderwärtig
überzeugenderes.
Einen Klan
Mit Chromverzierungen ist man auch etwas spartanischer umgegangen. Nur der Lautsprechergrill glänzt hier ebenso.
UKW geht nur bis 104 (105) MHz. Das KW Band ist mehr auf den Bereich 41 m Band bis 49 m Band mit Überlappungen zugeschnitten. Mittelwelle wie auch KW mit "Luxemburg" besitzt eine Sendernamenskala.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es hier vom Design her der SANYO, mit der ansatzweise tatsächlichen "Luxusausstattung" des OCEANIC.
Das Gehäuse gibt es dann je Modell mit Holzgehäuseimitat oder ebenso als Leatherette ausgeführt.
Bild | Modell | Bemerkungen |
SANYO All Wave Deluxe 8U-604A |
SW1: 2,3 - 7,3 MHz, SW2: 8 - 22 MHz; 1967 | |
sowie der baugleiche jedoch für den Neuseeländischen Markt unter AUTOCRAT SANYO vermarktet | ||
All Wave Deluxe 8U-604B | Wie Suffix A jedoch LW anstelle SW2 | |
Andere Type: Weniger formschön und nur mit Kunststofffront für den Britischen Markt | MW/SW und LW. Anschlußbuchsen an der Front sowie Fine Tuning rechts | |
8U-604E | MW/SW/LW - Details unbekannt; 1966 | |
All Wave Deluxe 8U-604N |
Wie Suffix B, jedoch sollen OC Transistoren als Bestückung dienen. Wiewohl ein reines Batteriegerät mit Netzteilbuchse wird es an der Front als AC/DC gekennzeichnet. | |
All Transistor AC/DC 10GA-605P |
FM/MW/SW mit einem eingebauten Netzteil | |
Als QUELLE Universum All Wave de Luxe, Best. Nr. 09832 mit Japan Miti Code 704 aus 1968/69 | Wie Sanyo 9G-605P jedoch mit Beschriftung in Deutsch sowie KW 6.0 - 15-0 MHz wie Suffix Version A. Damaliger Preis DM 108,- | |
©3/2022 - Text von Wolfgang Scheida zu
www.scheida.at/scheida/televisionen.htm
gehörend
Alle Bilder wenn nicht anders angeführt © 2021/22 W. Scheida/Wien
Letzte Überarbeitung: 03.10.24