Die Zukunft des Radiosammlers – verloren im Cyberspace?

Letzte Überarbeitung: 22 Oktober 2022
Ein Blick 20 Minuten in die Zukunft.
Frei nach Kettering und seinem Ausspruch: „Ich interessiere mich deshalb so sehr für die Zukunft, weil ich den Rest meines Lebens in ihr verbringen werde“.
 
Der folgende Beitrag stellt ein Destillat, abgestimmt auf unser Sammelgebiet – dem Sammeln alter Radiogeräte und artverwandter Gerätschaft, der bereits heute für die Zukunft erkennbaren Trends dar!
 
Wir beschäftigen uns als Radiosammler und dessen artverwandten Themengebieten mit Erfindungen und Entdeckungen, die es in der Natur haben, dass sie seit Anbeginn ihres Aufkommens von Zukunftsprognosen und Beschreibungen zukünftiger Anwendungsmöglichkeiten der jeweils neuesten Technik begleitet wurden.

Am Besten gefallen mir persönlich die Visionen und Ideen von Leuten wie David Sarnoff, dem späteren Präsidenten der RCA oder die teilweise im Science-Fiction Bereich angesiedelten Publikationen von Hugo Gernsback, die er kaufmännisch geschickt mit den jeweils aktuell erreichbaren Möglichkeiten seiner Zeit zu verknüpfen verstand.
Vieles, um nicht zu sagen das meiste der damalig vorhergesagten Techniken sind für eine breite Masse der Erdbewohner bereits Alltag geworden:
 

Auszugsweise seien genannt:

 
  • Die audiovisuelle Erreichbarkeit jedes Individuums rund um den Globus
  • Die Verfügbarkeit von Ton und Bild- Nachrichten und Unterhaltung aller Art (dieses Jahr steht endgültig Handy TV auf dem Programm)
  • Die Fernsteuerung mannigfaltiger Funktionen (remote functions)
 
Was uns die Propheten wie Tesla u. Co. noch schuldig sind, ist die Energieübertragung über den Äther dessen praktische und ökonomisch vertretbare Anwendung nach wie vor auf sich warten lässt. (Davon abgesehen, dass sich die Sache mit dem Atom zwischenzeitlich etwas delikater herausgestellt hat als ursprünglich gedacht)   
 
Was auch immer noch zu entwickeln und zu erreichen ist darüber kann man sicher endlos phantasieren und diskutieren.
Hier möchte ich aber Anfang 2008 auf die wie ich denke durchaus realistischen Entwicklungen im (Radio)Sammleralltag im -grob abgezirkelt kommenden Jahrzehnt eingehen, deren Weichenstellungen sich bereits heute abzeichnen.
 
Zu Beginn meiner Aktivitäten für und mit dem Radiomuseum stellte ich bei der Mehrheit der gefundenen Geräte fest, dass noch relativ wenige Daten, Bilder oder sonstige Beiträge in den verfügbaren Suchmaschinen zum jeweiligen Modell auffindbar waren.
Jetzt aber merke ich buchstäblich Tag für Tag mehr, dass sich die zu jedem Gerät verfügbare Informationsmenge im WWW vervielfacht und bei bereits bestehenden Geräten (sicher auch allen anderen Sammlerthemen) die erzielbare Informationstiefe zunehmend wächst.
Wobei wir in der jetzigen Phase ja kaum neues schaffen sondern "lediglich" die bereits bestehende reale Welt in die Cyberwelt transferieren und dabei alles verfügbare und bisher verborgene Material zentralisieren sprich neu ordnen.
 
Und während wir hier an einem Katalog arbeiten, sind andere Sammler parallel dabei ganze Prospekte gescannt also digitalisiert online zu stellen deren sinnvolle Verknüpfung für eine bessere Auffindbarkeit nur mehr eine Frage der Zeit ist. Oder aber sie gehen wie vieles im „Datennirwana“ irgendwann unter.
 
Wie Herr Erb in seinem Thread anführt wird es die stetig anwachsende Informationsmenge sein, die sich gemäß den Gesetzen der IT Branche ca. alle 18 Monate verdoppelt was es notwendig machen wird "weitere Selektionen selbst innerhalb eines Sammlergebietes" nach bestimmten Kriterien (zwangsweise!) vorzunehmen. Eine Auswahl nach Qualität der Beiträge hinsichtlich deren inhaltlicher Thementreue, einer bestimmten Mindestquantität aber auch der Aktualität oder der gewünschten historischen Zeitphase kann dann angefragt werden. Und wie es die einschlägigen Auktionshäuser schon heute zeigen ist mit der Beschäftigung und dem Betrieb der jeweiligen Plattform und dessen engsten Umfeld so viel zu tun, dass das Vornehmen der beschriebenen Selektion ein Huckepack installiertes Tool übernehmen wird deren Ansätze es heute bereits gibt und für den Bereich Auktionen dem Leser dieses Beispiel dient.
 
Heute noch ohne Bedeutung, doch das wird sich ändern ist die Transportpriorität des Inhaltes im WWW (Netzneutralität) die gegenwärtig bei allen Anbietern gleich ist. Ob es sich nun um den Webinhalt von CNN oder der Homepage eines Hobbysammlers handelt, bei angenommener gleicher Anbindung und Serverleistung wird der Inhalt homogen transportiert.

Ein höherer Zugriff über die mögliche höhere Geschwindigkeit im Vergleich zu Alternativanbietern wird so einmal zu bezahlen sein. (Vergleiche kostenloses Autobahn benutzen und Parken von einst mit Mautportalen und flächendeckenden Blauen Zonen von heute)  
Was wir heute noch mit Wort- und Fotobeiträgen beschreiben, wird sich mit Video- und anverwandten Medien schon in kürze deutlich intensivieren.
 
Und dabei darf ich mich als einen (nicht ursprünglich beabsichtigten) vornehmlich virtuellen Sammler bezeichnen, da die heute erforderliche berufliche Mobilität gekoppelt mit der unsicheren Wirtschaftlage (was zwangsweise bei einigen in einer unsichereren Lebensplanung mündet) den Aufbau von großen Sammlungen die unter Umständen einen beschwerlichen und hinderlichen Rucksack darstellen können für "meine Generation" eher nicht (mehr) erstrebenswert ist. So wird auch das Sammeln seinen vornehmlich virtuellen Fortgang finden.
 
Der Anfang wird gemacht mit Bildern – die in jeder Menge und Qualität teilweise auch gegen Bezahlung abrufbar sind und eine zwei- oder später eine dreidimensionale Aufstellung der virtuellen Geräte im Wohnzimmer möglich machen. Das wird dann eine mit Wechselmotiven gespeiste wandhohe OLED Fototapete sein die den heute verfügbaren digitalen Bilderrahmen alt aussehen lassen wird und die ganze Messehallenstände aus anno dazumal samt den zeitgenössischen Reden selbsternannter oder vom Volk gewählter Führer zu jeder unpassenden wie auch passenden Gelegenheit falls es denn die überhaupt gibt eröffnen werden. Bei der Szene von Willi Brandts drücken auf den roten Knopf für die Eröffnung des Farbfernsehens 1967 wird das noch sehr angenehm erscheinen. Ob man sich aber damalig braune Gestalten mit roten Fahnen lebensgroß ins Zimmer holt ist Geschmacksache.  
Oder man begleitet Marconi bei seinen ersten Funkversuch mit aufgesetzter interaktiver 3D Brille und Sensorenanzug und hilft ihm den Drachen mit der Antenne im Wohnzimmer steigen zu lassen. Doch Vorsicht – die Regenwasserpfützen sind tiefer als man denkt – Stolpergefahr! Natürlich mit versprochenen Bonuspunkten für die nächste Aufgabe wenn es denn dann doch gelungen ist. Nur beim Abhören der Morsezeichen geht dann die Originalität etwas verloren denn ohne einem Visualizer fangen wir mit dem Gepiepe natürlich nichts mehr an. Auch am Bau der Liebenröhre (korrekt: Kathodenstrahlenrelais) dürfen wir selbst Hand- oder besser gesagt Fuß anlegen, nämlich dann, wenn der heimische Ergometer virtuell zur mechanisch arbeitenden Quecksilberhochvakuumpumpe mutiert ist und wir unter Anfeuerungsrufen von Von-Lieben für die Wissenschaft unser bestes oder eher passend formuliert unser letztes geben. (Die deutschsprachige Ausgabe dieses Adventurespiels sieht leider De Forest und seine Röhre nicht vor) 
 
Ebenfalls kann man dann direkt neben Heinrich Hertz im Karlsruher Universitätslabor stehend die Wellen erforschen samt einem Abschlusszeugnis, ausgestellt vom Professor persönlich!

Die lebensnah nachgestellten Dokumentationen auf dem Discovery-Channel zeigen den Weg vor.
Dort wird einem simultan das körperliche wie auch geistige Befinden von historischen Größen wie Roosevelt, Stalin oder „dem Führer“ angepasst ins
Umfeld von geschichtstragenden Ereignissen nachgespielt bzw. vorgespielt, einschließlich die Weltgeschichte neu schreibendes, bisher unveröffentlichtes Augenzeugenmaterial, erlebt und erzählt vom damaligen Zimmermädchen.
Damit das ganze nicht langweilig wird, kann sich jeder selbst dafür berufene aber sicher nicht dafür auserwählte in der Zeitmaschinen Abteilung von Second Life der Identität historischer Personen annehmen und deren Wirken für andere spürbar nacherleben. 
 
Der nächste Schritt ist die holografisch generierte dreidimensionale Darstellung bei der wir um das Gerät das wie von Zauberhand mitten im Zimmer schwebt gehen können. Und so das chromblitzende Radiochassis unseres asiatischen Sammlerkollegen der audiovisuell über einen Instant-Voice-Translator zugeschaltet ist einem genauen Detailstudium zu unterwerfen.
Denn wenn heute von einem Web2 gesprochen wird, so wird so sicher wie das Amen im Gebet einmal das Web3 kommen.
Ein Web3 könnte neben anderen Parametern die Tiefendimension erfassbar machen und mit 3D-Creatoren, die heute noch für einen hohen Kaufpreis nur im Einsatz der Entwicklungslabors von z.B. Autobau Konzernen stehen, werden dann wie einst einmal ein Tintenstrahldrucker bei uns zu Hause stehen und den fehlenden Knopf eines Transistorradios aus Kunststoffpulver in Natura samt authentischem Originalschmutz in den Rillen nachbilden.
OLED und Nanotechnik verhelfen spätestens dann unseren bis dahin erblindeten (Magischen-) Augen wieder zu nie dagewesener Leuchtkraft.
Ebenfalls nachbilden werden wir dann ganze Senderlandschaften sprich Frequenzspektren pro gewünschtem Band die damit den Enkel des „Heimsenderleins“ darstellen werden. Das ganze gibt es natürlich auch für Fernsehfreunde (mich) mit heruntergerechnetem HDTV Material für jede bekannte analoge Norm, um zu erfahren wie „schlecht“ NTSC wirklich mal war. Wahlweise kann dann die Phasenverschiebung der 1955er Richtfunkstrecke New York – Los Angeles oder Cleveland - Chicago eingeschleift werden.
 
Auch für unsere Ostalgiefreunde ist was mit dabei. In einem Life-Adventure gilt es mit Tauschgeschäften zuerst die raren Kanalnachrüststreifen für den Rubens zum Empfang der ARD zu beschaffen.
Sodann hat man sich von Nachbarn unbemerkt auf den Dachboden zu schleichen um die Antenne Richtung Westen zu drehen.

Aber wehe man wird erwischt dann heißt es zurück zum Start. Wem es aber gelingt der steigt später auf zum
Color 20 Besitzer den er in gewohnter Weise mit Westbeziehungen mittels Grundig Transcoder zum PAL Empfänger erweitern lässt.

Westfernsehen kann dabei natürlich nur gestört empfangen werden – zur Auswahl steht das Kanalspektrum Dresden samt authentischem Störträger auf Kanal 33 oder Leipzig jeweils mit einem Eingabeformular an die örtliche Kreisleitung für eine Gemeinschaftsantennenanlage offiziell zum besseren Empfang von DDR2. Bereits heute im WWW auffindbare PAL Simulationen mit schaltbarer Cross-Color Störung weisen uns den Weg.
 
Soweit ein wie ich meine nicht allzu weit hergeholtes Zukunftsszenario dessen Möglichkeiten und Vielfalt jedem eine Konzentration und Fokussierung auf das eigentliche lebendige Erleben seines Hobbys abverlangen wird.
 
Wir werden dabei erleben, dass sich in jedem auch noch so spezifischen Amateurbereich (Wortdeutung: Beschäftigung aus Liebhaberei – „Lieb“ haben) der kommerzielle Mantel darüber ausgebreitet hat und man auch hier von außen genötigt wird immer das nächst bessere anzustreben.

Überall wird hier dann umso mehr denn heute die Devise –
„weniger ist mehr“ zum überlebensnotwendigen Gebot der Stunde. Aber das ist eben die ewige Gratwanderung die nur zu schwer jemand mit Leidenschaft für etwas zu meistern versteht.
 

© Wolfgang Scheida 3/2008 www.scheida.at/scheida/televisionen.htm


 

Dieser Beitrag wurde am 01.Apr.09 22:43 von Wolfgang Scheida editiert.

 

Ist es wert gesammelt und dokumentiert zu werden?

Eine interessante Auseinandersetzung zum Thema Sammeln, Archivieren und Ausstellen bietet ein ORF Beitrag über die Arbeitsweise des Technischen Museums Wien jedoch zum Thema Computer & Co mit dem etwas sperrigen Titel: "Wie man Computer abspeichert".

Da die Elektronikentwicklung bei der Unterhaltungselektronik seit etwa den 1990er ebenfalls in diese Richtung geht ist das möglicherweise auch für uns einmal ein Thema.

Der Ansatz im Rahmen von Ausstellungen in Nachrichtenübermittlungsmedien und Speichermedien zu Unterscheiden kann durchaus Nachahmer finden.

WS  4/2009


 

Nachtrag April 2010: Verbleib von Altgeräten in der Zukunft

Wir befinden uns an der Schwelle, wo entgegen zu früheren Phasen der Industrialisierung zunehmend auch funktionstüchtige Geräte der Unterhaltungselektronik, aber auch der Haushaltsanwendungen und auch Kraftfahrzeuge außer Betrieb genommen werden.

Dies nicht weil sie etwa das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hätten, sondern weil neue effizientere Nachfolger auf den Markt drängen die weniger Benzin, weniger Strom oder weniger Frequenzbandbreite beanspruchen und womöglich in Teilbereichen eine bessere Qualität liefern. 

(Vergleich: Die Steinzeit ging nicht zu Ende weil es keine Steine mehr gab, sondern weil bessere Werkstoffe zur Verfügung standen)

Die gestiegene Menge an aufkommenden Gegenständen, das gestiegene Umweltbewußtsein und die zunehmende Mobilisierung der Bevölkerung wird das Horten und Aufheben, Deponieren von Altgeräten im persönlichen Umfeld in der Wohnung, dem Keller, dem Dachboden oder der nostalgischen Scheune zunehmend verringern.

Dem steht die gigantische Menge an Altwaren entgegen die Beständig anfällt.

Als Vergleich seien die Wochenschauberichte der Nachkriegszeit in Österreich genannt, die wie Dr. Hugo Portisch bei seinen Österreich II Recherchen ausführte, bedingt durch ein Verfahren, das die Zurückgewinnung von Silber aus den Filmmaterial ermöglichte.

Die wirtschaftliche Kraft der Rückgewinnung stand der Lagerung und Archivierung entgegen und diese Zeit ist (war, falls zwischenzeitlich nicht neue Quellen erschlossen werden konnten) letztlich schlechter Dokumentiert blieb als es die Jahrzehnte zuvor waren.

Ähnlich könnte es bei Digitalbeständen ergehen sofern sie nicht redundant gespeichert und damit für ewig im Netz verfügbar sein werden.

Für reale Gegenstände wird die unmittelbare Verwertung und das Recycling zurück in den Wertstoffkreislauf schon nach immer kürzerer Zeit das A & O werden.

Schrottplätze, wo Autos jahrzehntelang überdauern wird es in Europa schon aus Gründen des Bodenwertes zunehmend weniger geben.

Hinzu kommen gesetzliche Verordnungen die im Sinne des Umweltschutzes das Ausschwemmen der Giftstoffe in den Boden untersagen.. 

Der Autor bestätigt diese Vorgangsweise bei seinen Computern (ohne Festplatte) und Handys die er nicht gelagert hat.

Auch die Anzahl an Röhrenfernsehern wird es in dieser Zahl aus obigen Gründen nicht in alle Ewigkeit bei ihm geben können. Von Autos ganz zu schweigen.

Wenn 3D Fernsehen tatsächlich den Boom erlebt der ihm vorausgeht dann gilt dies auch schon für die erst jüngst eingeführte Generation von Flat-TV`s.

SAT Digitalreceiver und bald auch DVB-T Boxen sind angesichts der besseren Qualität bei HDTV DVB-T2 schon jetzt im Händlerlager dem Wertverfall ausgesetzt, zumindest dort wo sich dieser Service schon On-Air befindet (Wien 4/2010).

Die Zeit, wo ehemalige Mülldeponien zum Wertstoff Bergbau der Zukunft gemacht werden kündet sich schon heute nachvollziehbar durch Aussagen von Wissenschaftlern in Dokumentationen an.  

4/2010

 

© 10/2009  - Text von Wolfgang Scheida

Letzte Überarbeitung: 22 Oktober 2022