Televisionen - 75 Jahre Fernsehen in Deutschland*

22. März 1935 - 22. März 2010 

* Der geneigte Leser ist eingeladen sich mit der Thematik "Was man damals unter Fernsehen und >Debüt< verstand" auseinanderzusetzen und nicht unreflektiert Schlagworte zu übernehmen! 

Siehe auch diesen umfangreichen Beitrag des Autors die nachmaligen Jubiläen zu 80 Jahre Fernsehen.  

Ein Radiointerview mit dem Fernsehhistoriker Wolfgang Scheida aus Wien über "das Debüt des Fernsehens" und was man darunter in der jeweiligen Zeitepoche verstanden hat für das "Soldatenradio" dem NATO-Radiosender Sada-e Azadi in Afghanistan zum Anlass der "Deutschen Fernseheinführung" zum 22.3.1935. 

Folgende Fragen werden erörtert:

 

1. Wie kam es zur Entwicklung des Fernsehens?

2. War die Entwicklung des Fernsehens eine Revolution?

3. Was waren seit Bestehen des Fernsehens die größten Highlights? 

4. Seit wann gibt es Fernsehprogramme auch in Ländern wie Afghanistan oder Iran?

5. Welchen Stellenwert nimmt das Fernsehen weltweit ein (auch in Ländern wie Afghanistan oder Iran)?

 

1. Wie kam es zur Entwicklung des Fernsehens?

Der Traum des Menschen Nachrichten und das von ihm Erlebte zu übermitteln ist schon aus der Frühzeit bekannt wenn wir an Höhlenzeichnungen, Briefe, und Chroniken denken.

Mit der Entdeckung und der Erforschung der Elektrizität im 19. Jahrhundert wurde es dann möglich zuerst über Kabel, später drahtlos Signale in Form der Morsezeichen zu übermitteln, bis etwa um die Zeit des ersten Weltkrieges die Sprachkommunikation und damit ab den 1920er Jahren das bekannte Radio daraus wurde.

Doch schon in den 1884er Jahren hatte ein Deutscher Erfinder Paul Nipkow die Idee, mittels einer rotierenden Scheibe die später als Nipkowscheibe bekannt werden würde, die Bildinformation zeilenweise abzutasten und lediglich den Augenblickswert der Information zu übertragen und am Empfänger wiederherzustellen. Dies ist letztlich auch bis heute noch eine gültige Grundvoraussetzung für das Fernsehen.

Für Nipkow war jedoch die Zeit noch nicht reif, da es vieler weiterer Entwicklungen wie etwa der Verstärkertechnik bedurfte um seine Erfindung praktisch umsetzen zu können.

Dies tat dann zusammengefasst unter dem Begriff "mechanisches Fernsehen" der Schotte John Loggie Baird 1925, als es ihm gelang mit einer jetzt auch praktisch ausgeführten Nipkowscheibe die aus 30 spiralförmig angeordneten Löchern - gleichsam für 30 Fernsehzeilen stehend einen Puppenkopf zu übertragen.

Erst der Übergang 1930 zum Einsatz der Braunschen Röhre als Bildaufnahme und Wiedergabemedium, vorgeführt vom Deutschen Universalgenie Manfred von Ardenne machte letztlich in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre mittelauflösendes elektronisches Fernsehen möglich das wir als eine Vorläuferart unseres Fernsehsystems verstehen dürfen.

Davon, den 22. März 1935 als 75 jähriges Jubiläumsdatum mit der Eröffnung des Deutschen Fernsehsenders, zu Ehren des Erfinders "Paul Nipkow" getauft, als den Beginn des Fernsehens in Deutschland schlechthin zu bezeichnen möchte ich bewusst Abstand nehmen.

Ich zitiere daher einen Zeitzeugen - den späteren Entwickler des PAL Farbfernsehsystems Ing. Walter Bruch der sich zusammengefasst wie folgt äußerte: [33a/Sxxx)]

Radiointerview mit dem Fernsehhistoriker Wolfgang Scheida  Radiointerview mit dem Fernsehhistoriker Wolfgang Scheida

Bild: Der damalige Techniker bei Olympia 1936 an der Fernsehkamera und späterer Erfinder des PAL Farbfernsehstandards

"Es handelte sich zusammengefasst ein Propagandaereignis, das initiiert wurde um den Briten mit der BBC die im Herbst starten würden technisch voraus zu sein.

Es standen bestenfalls 20 Fernsehgeräte von drei Herstellern zur Verfügung und es konnten nur Filme in Ermangelung von für unmittelbares Fernsehen, heute würden wir sagen in Ermangelung Live TV tauglicher Kameras vorgeführt werden. Das Fernsehen war zudem für die Öffentlichkeit lediglich gemeinschaftlich in sogenannten Fernsehstuben möglich." Zitat Ende.

Die Bildqualität war selbst für damalige Verhältnisse mit nur 180 Zeilen und einem starken 25 Hertz Flackern als eher mäßig zu nennen. 

Zudem hatte Hitler wie auch Goebbels zu diesem Medium ein zu geringes Interesse bekundet da die kleinen Bilder für deren Interessen noch ungeeignet waren.

So fand Dr. Joseph Goebbels lt. seinen Tagebüchern 1933 zwar, das das Fernsehen nur mehr eine Frage von Monaten sei, eine Zeitspanne die aber technisch und mangels politischen Willens letztlich nicht gehalten werden konnte. (Zum Anlaß der Funkausstellung 1933 und der Vorstellung des Volksempfängers) 

In einer Rede zum Todestag von Paul Nipkow 1940 der mit dem jetzt verwendeten elektronischen Fernsehen eigentlich nichts mehr zu tun hatte äußerte sich entsprechend die Propaganda die wir heute mit geübtem Ohr anders zu deuten wissen. 

Es folgten auch in Ländern wie den USA, Frankreich und der UdSSR Fernsehdienste die jedoch aufgrund der Wirtschaftssituation wie auch dem Fehlen einer endgültig verabschiedeten Fernsehnorm noch kein breiteres Publikum erreichten.

Zum Vergleich: heute haben wir die bekannten 525, 625 bzw. 720 Zeilen bei HDTV.

Der eigentliche Beginn des Deutschen Vorkriegsfernsehens mit einer annähernd guten Fernsehnorm mit einer uns heute bekannten Bildqualität, war mit damals 441 Zeilen und weitgehend flimmerfreiem Zeilensprungverfahren ab 1938 realisiert worden.

Jetzt, zudem auch als einen Dienst für den individuellen Heimzuseher gedacht war zur Funkausstellung 1939, am Vorabend des Ausbruchs des 2. Weltkrieges auch der sogenannte Volksfernseher E1 einem Gemeinschaftsprodukt ähnlich dem bekannten Volksempfänger für das Radio vorgestellt worden der allerdings nicht mehr in die Großserie überführt werden konnte. 

Bild: E1 Volksfernseher - Einheitsfernseher

Kriegsbedingt stellte man in allen Ländern die zuvor gestarteten Fernsehdienste ein und mit der Zivilnutzung des Fernsehens war erst einmal Schluss.

Lediglich in Deutschland sowie im besetzten Paris gab es selbst während des Krieges einen Fernsehdienst der für Lazarett und Kriegsverwundetenversorgung bis 1944 aufrecht erhalten werden konnte. Unter dem Titel:  "Wir senden Frohsinn und spenden Freude" galt es die Heimatfront zu stärken.

Fernsehsender Paris 1944

Bild: Deutsches Fernsehen in Paris um 1944

Wenn wir daher nach dem Datum der Einführung des ersten öffentlichen Publikumsfernsehbetrieb mit Heimfernsehgeräten ähnlich wie wir es heute kennen fragen dann war dies die Britische BBC mit ihrem Sender in London am 2.11.1936.  

Deshalb sagte selbst der Reichssendeleiter Hadamovsky: "Die Engländer sind im Fernsehen mit deutscher Gründlichkeit vorgegangen, die Deutschen haben die englische Gabe der Improvisation entfaltet". [33a/Sxxx)]

 


2. War die Entwicklung des Fernsehens eine Revolution?

Die Entwicklung selbst war mehr eine Mischung aus Experimentieren und einer langsamen Evolution denn einer echten Revolution gleichkommend.

Das was das neue Medium eingebettet im Alltag letztlich ausmacht, nämlich ein gerade aktuelles Ereignis in Echtzeit mitzuerleben ist das Gefühl das bei allen technischen Weiterentwicklungen bis heute anhält und als Lifefernsehen in einem Gegensatz zur reinen Filmwiedergabe steht. 

Die Entwicklung der dafür erforderlichen Bildspeicherröhren im Bildaufnahmegerät - der Kamera wurden dabei und hier trennen sich die Geschichtsschreiber von den Amerikaner Philo Farnsworth, dem Russlandemigranten Vladimir Zworikyn bei der RCA bzw. parallel der EMI in England zugeschrieben. 

Dieses Herzstück ist letztlich auch die eigentliche technische Kernrevolution gewesen wenn man von unzähligen weiteren Details die zweifelsohne auch nötig waren absieht.    


3. Was waren seit Bestehen des Fernsehens die größten Highlights? 

Als besondere Highlights in der Fernsehgeschichte sind Ereignisse zu nennen die gar die Bevölkerung eines Landes, eines ganzen Kontinents oder auch der ganzen Erde berührten.

Von Deutscher Seite hat auch international die teilweise Fernsehübertragung der Olympischen Sommerspiele in Berlin 1936 eine breitere Beachtung gefunden. 

 

Wir würden auch 40 Jahre nach der Mondlandung 1969 die Übertragung der ersten Schritte auch wenn sie noch so unscharf und nur in s/w waren als das Fernsehereignis schlechthin bezeichnen!

Dennoch gab es noch andere schon viel frühere Schlüsselereignisse wie

Zudem werden von der uns innehabenden westlichen Orientierung nicht zuletzt durch die Bevölkerung in Asien und deren breitere Teilnahme am Komfort der Errungenschaften der ersten Welt zu der das Fernsehen, aber auch der DVD und Internetkonsum gehört mehr und mehr verlagert was wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen.

       
4. Seit wann gibt es Fernsehprogramme auch in Ländern wie Afghanistan oder Iran?

Das World Radio & TV Handbook weist 1960 für Afghanistan noch keinen Fernsehdienst aus. 

Anders im Iran: 

Dort sind offensichtlich auf Veranlassung des Schah von Persien zwei Sender interessanterweise jedoch in der 525 Zeilen US Fernsehnorm aufgeschaltet worden:

Als Fernsehzeiten sind 14:30 - 19:30h & 14:30 - 18:30h angeführt!

Den Auftakt machten 300 Fernsehgeräte von Telefunken  [33a/Sxxx)] die von Walter Bruch 1959 für den 60 Hertz Betrieb am 50 Hertz Stromnetz angepasst werden mussten.

Später ging der Iran auch auf die 625/50er Norm über.

Der Irak hatte 1960 mit Bagdad auf dem Kanal E8 50/5 kW ebenfalls bereits einen leistungsstarken 625/50 Sender der von 16-19h & Fr 7 - 9h arbeitete.

Für Länder des arabischsprachigen Raumes gilt für die Zeit vor der Satellitenantenne, das viele Antennen drehbar montiert waren um jeweils zu den Sendern der Nachbarländer umschwenken zu können. 

Für diese Länder in nahen Osten wurden auch Antennen wie die EA 95 von Wisi gebaut.


5. Welchen Stellenwert nimmt das Fernsehen weltweit ein (auch in Ländern wie Afghanistan oder Iran)?

Die Restriktionen und das Umfeld das in Afghanistan viele Jahre vorherrschte wird Ihnen (den Soldaten Vorort) bekannt sein so das hier vordergründig lediglich Satellitenprogramme für im Ausland lebende Afghanen erreichbar waren, und erst in jüngerer Zeit vermehrt Inlandssender aufgeschaltet wurden.

So zählt man zur Zeit (2010) lt. Wikipedia um die 20 Programme wobei einige aus den USA kommen.  

Der Iran hingegen hat über die Zeit ein breit gefächertes staatlich kontrolliertes Inlandsfernsehen aufgebaut, das mit Bedacht auf eine großzügigere Berichterstattung mit einer Vielzahl aus dem Ausland erstellten Programmen ergänzt wird die allesamt über Satellit in den Iran und Teilen der sonstigen Welt gelangen.

Und dies obwohl der Satellitenempfang im Iran offiziell verboten ist und Verstöße manchmal mehr oder weniger Restrikt geahndet werden.

Als technische Parameter verwendet der nahe Osten seit dem Breiteneinsatz des Fernsehens die Europäische Gerber Norm B/G so wie wir sie auch bis zur DVB-T Umstellung in Mitteleuropa hatten.

Die Farbnorm war jedoch der wirtschaftlich nahe stehenden Sowjetunion geschuldet und daher zumeist in der SECAM Norm anstelle der PAL Norm was beim Export von Fernsehgeräten bis vor einigen Jahren berücksichtigt werden musste.

Ich wünsche guten Bild und Tonempfang nach Afghanistan!

 

Nachtrag: Der TV-Standard wurde im Iran 1998 von SECAM auf PAL umgestellt (ungeprüft) 

 

©3/2010 by Fernsehhistoriker W. Scheida/Wien

Updated: 27.04.23 zu www.scheida.at/scheida/televisionen.htm gehörend