Über damals aufsehenerregende Wirtschaftsereignisse rund um das einstige Wiener Beleuchtungs- und Radiohaus Walter 1932
Bild: Das durchaus eindrucksvolle Geschäftsensemble samt Portrait wie es im "Österreichischer Radio-Amateur" vom September 1930. S.723 vorgestellt wurde. Quelle: Anno
Folgen Sie als Leser den Spuren einstiger Wirtschaftskriminalität bzw. dem was man damals gut über 90 Jahren vor unserer Zeit in Wien darunter verstand und was die Gemüter, in jedem Fall aber die Strafgerichte bewegte.
Beachten Sie zudem die damals verhängten hohen, letztlich ebenso nicht realistischen Ausgleichsquoten und die im Vergleich mit heutigen Finanzhassadeuren sehr harte Vorgehensweise der Justiz.
Ob die Welt damals dadurch eine vermeintlich bessere war darf jeder für sich entscheiden.
*>Kriminelle - Alte Fälle< war im ORF Fernsehen der ausgehenden 1980er Jahre ein Intro das meist spätnachts vor entsprechenden Filmen zur passenden Einstimmung der Zuseher ausgestrahlt wurde und dem Autor als nachhaltiges Wortspiel in Erinnerung blieb.
abgeleitet von dem dort üblichen die Wirtschaft ankurbelnden Ratenkaufmodell brachten einen einst großen zudem von der Industrie Unterstützten langjährig tätigen Wiener Händler in der Kombination des anfänglichen Radiobooms und der später stagnierenden Wirtschaft in Bedrängnis.
Siehe eine diesbezügliche Werbeschaltung im >Der Straßenbahner< vom Sonntag den 15. April 1928 nach der Methode "Kauf jetzt, zahl später (oder auch nie)".
Lesen Sie hier selbst die Zusammenhänge:
Die Ursachen und ihre Wirkungen. Ordentliche Untersuchungshaft verhängt. Wie der „Telegraf" bereits gemeldet hat, wurde der Radiohändler, Bernhard Walter, Inhaber des Beleuchtungshauses Walter, verhaftet.
Die Ursache dieser plötzlichen Verhaftung liegt weit zurück. Sie ist vor allem zurückzuführen auf die finanziellen Schwierigkeiten, in die das Beleuchtungshaus Walter bereits vor zwei Jahren geraten war. Das Geschäft Walter verkauft seine Beleuchtungskörper und vor allem Radioapparate an Kunden, die sich auf Ratenzahlungen verpflichteten.
Diese Verkäufe wurden im großen Ausmaß getätigt, und die Wirtschaftskrise brachte es mit sich, daß die Kunden den größten Teil der Raten schuldig blieben. Das Haus Walter geriet in Schwierigkeiten, und ein Gläubigerkomitee der Industrie betraute mehrere Personen mit der Kontrolle über das Geschäft Walter. Das geschah im November 1930.
Die Bücher wurden von Professor Feldmann im Auftrag der Radioindustrie geprüft und kontrolliert, und der Exponent der Radioindustrie war der Radioindustrielle Ludwig Neumann. (Anmerkung: Radiohersteller Fa. INGELEN)
Die Schwierigkeiten wurden aber immer größer und im Jänner 1931 wurde der Ausgleich angemeldet.
Einem Schuldenstand von 1,5 Millionen Schilling standen Außenstände von 1,1 Millionen gegenüber. (Gemäß Währungsrechner entspricht dies einer Größenordnung von rund 6,5 Millionen Euro 2023 also "Peanuts" bezogen auf aktuelle Wirtschaftskriminalfälle und Verluste)
Der Ausgleich kam zustande und das Beleuchtungshaus Walter verpflichtete sich zur Bezahlung im Ausmaß von 90 v. H. (%)
Das Kontrollkomitee der Radioindustrie verblieb weiter im Geschäft und die Schuldverpflichtungen der Käufer wurden von den Vertrauensleuten der Industrie kontrolliert. Diese Schuldscheine der Kunden wurden an die verschiedenen Radioindustrien zur Sicherstellung hingegeben.
Nun kam es vor, daß Kunden dem Haus Walter direkt ihre Schuld bezahlten und daß dann die eine oder die andere Radiofabrik, welche einen solchen Schuldschein einklagte, erfahren mußte, daß die Kunden bereits gezahlt hatten.
Von Seiten der Kunden wurden nun Anzeigen an die Staatsanwaltschaft erstattet, und auf Grund dieser Anzeigen wurde Berthold Walter, der trotz seines langen Aufenthaltes in Wien die Zuständigkeit nicht erlangt hat, sondern nach Rumänien zuständig ist, verhaftet.
Es handelt sich bei den oben erwähnten Vorkommnissen um eine große Schlamperei, die nicht allein zu Lasten Walters zu buchen ist, da ja seine gesamte Geschäftsgebarung von Vertrauensleuten der Radioindustrie kontrolliert wurde.
Wie wir erfahren, bestehen die Außenstände Walters in rückständigen Steuern, Krankenkassenbeiträgen und rückständigen Löhnen im Ausmaß von 30.000 Schilling und neuen Forderungen von 26.000 Schilling.
Berthold Walter wurde dem Straflandesgericht l eingeliefert und über ihn die ordentliche Untersuchungshaft wegen Verdachtes des Verbrechens des Betruges verhängt.“
Auf Grund eines landesgerichtlichen Haftbefehles wurde heute vom Polizeikommissariat Mariahilf der Inhaber des Beleuchtungshauses Walter, der Radiohändler Bernhard Walter, verhaftet und dem Landesgericht eingeliefert.
Walter, dessen finanzielle Schwierigkeiten schon aus fast drei Jahre zurückreichen, war schon zu Beginn Dezember v. J. verhaftet, dann aber auf freiem Fuß gesetzt worden.
Er hat im Jänner 1931 mit einem Schuldenstand von 1,5 Millionen Schilling, denen Außenstände von 1,1 Millionen gegenüberstanden, den Ausgleich angemeldet.“
Bild: Österreichischer Radio-Amateur Artikel aus September 1930
Und wie fast jeder Händler der im weitesten Sinne dieser Branche tätig war, so stürmte auch dieses Unternehmen das neue Thema Radio als es dann losging.
Örtlich innerstädtisch gelegen in der Gumpendorferstraße 88b in Wien 6, einer unweit gelegenen Parallelstraße zur einstigen Einkaufsmeile der Mariahilferstraße die wiederum von Anbeginn an alles Radiotechnische Gewerk an sich zog.
Das Unternehmen war sehr Marketingorientiert was damals als Propaganda bezeichnet war und Anzeigenschaltungen wie auch Gewinnpreise für Preisausschreiben etc. feilbot.
So sind auszugsweise Nennungen im
"Radio Wien, "Der Straßenbahner",
"Allgemeine Radiozeitung", "Freiheit!",
"Illustrierte Kronenzeitung", "Neue freie Presse",
"Der Radiohändler" und weitere bekannt.
Bild: Werbung aus Radio Amateur 1930 für Waren wie auch den Kreditmöglichkeiten
Bereits vor der Radiozeit die im wesentlichen 1924 in Österreich als Massenphänomen begann gab es bereits elektrisches Licht und folglich den Bedarf an Beleuchtungseinrichtungen wie Lampen und eben auch Zubehör. Zudem waren auch noch andere Lichtquellen wie eben Karbid bis zu den Gaslaternen im Gebrauch.
So lesen wir in einem Firmenportrait aus dem "Österreichischer Radio-Amateur" von September 1930, wonach 1915 (also während des Ersten Weltkriegs) das Unternehmen gegründet wurde und sich vorerst mit dem Handel mit Installationsartikeln und Bedarfsgegenständen für Gas- und Wasserleitungen beschäftigt hat.
Deren Stammhaus in der Gumpendorferstraße besaß 20 (!) Schaufenster, hinzu kam im Wiener Nachbarbezirk 7 in der Neubaugasse 4 (an der Mariahilferstraße gelegen) eine Filiale sowie "das größte technische Warenhaus Steiermarks in Graz in der Jakominigasse 23".
Selbst die "Radio-Union", in der Wiener Gumpendorferstraße 77 beheimatet zählte zum "Walter Konzern" dazu. Als Zentrale wird die Marchettigasse 14 in Wien 6 angeführt.
Genannt wird ferner eine eigene "Kraftverstärkerabteilung", gemeint waren damit Niederfrequenzkraftverstärker für Beschallungsanlagen wie Theater, Veranstaltungen aber auch Kinos usw.
Nicht ganz ohne Humor muß man die Ernennung des Inhabers Herrn Berthold Walter zum >Kammerrat<, also damaligen Gremienvorsteher der entsprechenden fachlichen Handelssektion zur Kenntnis nehmen.
Eine Funktion die ihn wohl nebst dem geschenkten Vertrauen auch Tür und Tor zu allen damals "Großen" der Branche geöffnet haben wird.
Vergleichen Sie dazu die 2022/23 bekannt gewordenen Gebahrungen eines einst großen Immobilienjongleurs aus Österreich.
Bild: Frühere Werbeschaltung des Beleuchtungshaus Walter aus "Österreichische Nähmaschinen- und Fahrrad-Zeitung" vom 31. Jänner 1920 noch aus der Vor-Radiozeit.
Sowie rechts aus der "Allgemeinen Radiozeitung" vom Fr, 26. Dezember 1924 das nunmehr erweiterte Produktsortiment Quelle: Anno
Wir finden hier einen engagierten und letztlich sehr gut vernetzten Unternehmer der mit der Einführung des Radios in Österreich sein bereits zuvor etabliertes Unternehmen mit einer sehr starken womöglich zu starken Expansion weiter vorantrieb.
Und während anfangs die von außen neu geschaffene Nachfrage dieses Vorhaben noch wirtschaftlich tragbar abzubilden vermochte, so kam das Konzept in Ermangelung an entsprechenden jedoch dringlich benötigten Umsätzen nach und nach in Schieflage.
Hier bot sich das "Amerikanische Geschäftsmodell" an, wonach Privathaushalte die sich mitunter dies gar nicht leisten konnten eine Option auf deren Einkünfte der Zukunft in Form eines Kredites nahmen um eben Konsumgüter anschaffen zu können.
Diese Privathaushalte versagten jedoch zunehmend ihre Zahlungsfähigkeit wie dies verkürzt dargestellt auch in den USA, Stichwort "Schwarzer Freitag 1929", letztlich zur Weltwirtschaftskrise geführt hatte.
Von womöglich zu großzügig, um nicht zu sagen zu fahrlässigen Vergaben dieser Kredite bzw. "Ratenkäufe" abgesehen, kam im Fall Walter noch die 90% Rückzahlungsquote an die Industrie bzw. weiterer Gläubiger hinzu.
Eine Quote die auch damals sicher nur sehr schwer bis unmöglich zu bedienen war.
Als eigentliches jedoch über eine "Fahrlässigkeit" und "Blauäugigkeit" hinausgehende Delikt dürfte die Form der "Unterschlagung" der Einnahmen von Kunden und deren Vorenthalten zugunsten der Gläubiger gezählt werden was dann wohl für sich spricht.
Was uns für eine nachträgliche Beurteilung fehlt, das wären Marktanteile und Umsätze die erreicht worden sind.
Angeführte Literatur aus Anno - Archiv der Öst- Nationalbibliothek abgerufen im Oktober 2024
https://finanzbildung.oenb.at/docroot/waehrungsrechner/#/ abgerufen am 3.11.2024
©2024/11 - Gestaltet von Fernsehhistoriker W. Scheida/Wien gehörend zu www.scheida.at/scheida/televisionen.htm
Letzte Überarbeitung: 10.11.24