Bild: So sah es die damalige ITT Werbung für den Normalverbraucher Bild: ©ITT Katalog 1985 by Hifi-Archiv.info
Wie fast immer gibt es auch hier eine Analogie dazu aus meiner Kindheit:
Bei uns waren Plakatwände rund um den lokalen Sportplatz wie auch anderswo in der Stadt aufgestellt. Mich interessierte in diesem Fall tatsächlich nur das was auf den Plakatwänden zu sehen war, und nicht das was sich dahinter abspielte.
In jedem Fall war da eines Tages um 1985 ein Plakat aufgeklebt das den neuen ITT Digivision Fernseher vorstellte.
Das ganze natürlich etwas plastisch und eindrucksvoll dargestellt mit einem nun menschlichen Computerhirn als Vorreiter späterer KI künstlicher Intelligenz.
Bei einem herkömmlichen Fernsehgerät wurden die Parameter für die Bildgeometrie, der Ansteuerung für die Bildröhre und anderes bei der Fertigung erstmalig und bestmöglich eingestellt.
Inwieweit diese Werte dann über Jahre im laufenden Betrieb noch erreicht werden konnten hing von verschiedenen Faktoren wie der Alterung der Bauteile, den Betriebsstunden usw. ab.
ITT Intermetall wollte hier mit dem nunmehr "Intelligentem Fernsehen" einen neuen Weg bestreiten, der technisch innovativ, wie aber jede Neuerung auch mit entsprechenden Kinderkrankheiten behaftet war.
Integrierte Sensoren nahmen dabei die Werte ab und glichen die jeweiligen Ansteuerungen automatisch ab. Etwas, was wir auch von den ebenso damals aufkommenden ersten KFZ "Steuergeräten" kennen lernen konnten.
Als dem Stand der Technik geschuldet, waren der HF & ZF Teil wie auch die Leistungsendstufen der Ablenkung wie auch im Tonteil von dieser Digitalisierung ausgenommen.
Digitale Leistungsverstärker kamen erst viele Jahre später auf den Markt. Ebenso das "Rechnen" im HF wie auch ZF Teil wo u.a. die japanische Firma Kennwood bei ihren Kurzwellengeräten um 1990 erstmals Neuland betrat.
MasterMind dahinter bei ITT war der in Westdeutschland lebende gebürtige Jugoslawe Lubo Micic. Erste Chassis für die Fachwelt gab es u.a. auf der IFA in Berlin 1981 in Hinterzimmern zu sehen.
Die letztliche Zielsetzung war ein "Ein Chip" Fernseher der keine internen Einstellungen mehr benötigen würde.
Dies gereichte aber nicht allen TV Technikern zur Freude, da die herkömmliche Fehlersuche und Fehlerbehebung erst einmal schwieriger wurde und auch eine erforderliche Ausbildung bzw. Schulung daran erforderlich machte.
Ein ITT "Service Computer" war erforderlich um Einstellungen bzw. Überprüfungen durchführen zu können. Der Vorläufer des späteren Servicetechnikers der erst einmal mit seinem Laptop alle Daten ausliest war damit geboren.
Und damit wohl auch die Erkenntnis, das früher oder später der Reparaturtechniker, zumindest in der Menge so nicht mehr benötigt werden würde was sich in den darauf folgenden rund 15 Jahren auch so bestätigt hat.
Anmerkung: Es gab zwar auch ansteckbare proprietäre Diagnosegeräte für diverse analoge Fernsehgeräte (z.B. Nordmende) die aber nur eine Vereinfachung des auch herkömmlich durchzuführenden Messvorganges darstellten.
Die Bildqualität litt noch in den A/D - D/A Wandlerstufen der ersten Generationen was dem Techniker aber auch Zuseher mehr oder weniger stark auffiel.
Eine solche Entwicklung zur Digitalverarbeitung kam zudem nicht von ungefähr. Weltweit 18 Fernsehgerätehersteller unterzeichneten daher Absichtserklärungen für die Verwendung des neuen ITT Chipsatzes auch in ihren Geräten.
Stellvertretend genannt für diese Hersteller übernahm Philips in bestimmten Chassis seiner Match-Line Serie ebenso den ITT Chipsatz. Weiters die Firmen GE und Zenith als erste in den USA. Bis Ende 1983 zeigten Matsushita (Quasar), Sanyo, Sharp, Sony und Toshiba sowie NEC deren Geräte mit dem ITT Chipsatz.
Der zukünftige evolutionäre Weg des Fernsehens in Richtung Digital war, wenn auch noch in teils diffusen Konturen liegend, so doch schon grundsätzlich vorgegeben.
Dies galt nicht nur für die Bildverarbeitung, mehr noch als praktische Anwendung für den Käufermarkt standen die Audio-CD sowie allgemein digitale Audiomedien in den Startlöchern ab November 1983, die ebenso mit dieser grundsätzlichen Chipentwicklung arbeiten sollten.
In Großbritannien, Frankreich und den skandinavischen Ländern stand zudem mit dem NICAM Verfahren eine digitale Tonübertragung für Stereo wie auch Zweikanalton bevor.
Eine bessere Trennung von Farbsignalen und Luminanzsignalen.
Einfachere Mehrstandard Farbdekoder.
Einfachere und damit preiswertere Implemetierung von Videotext/Teletext.
Als damals zukünftige Entwicklung war die Beseitigung der störenden Geisterbilder in Antennen- und Kabelfernsehanlagen angedacht.
Die praktische Umsetzung (Stichwort: Ghost Canceling System) sollte noch über 10 Jahre dauern - Siehe den Beitrag des Autors der damals 1994 in Wien dabei war!
Schon unmittelbar in der Anwendung gab es die Steuerungsbefehlsätze für die zunehmend aufkommenden Fernbedienungen und deren mehr und mehr abverlangten Funktionen.
Hatte z.B. Grundig in seinen Halbleiter bestückten Super Color Geräten der ersten Generation anfang der 1970er Jahre noch voll analoge Fernbedienmodule mit Analog FET Speichern (!), so änderte sich dies rasant bei fast allen Herstellern.
Zusatzfeatures wie
einfacheres Bild im Bild,
Standbild,
flimmerfreies Bild,
Multibilddarstellung
Dies ergab Vorteile für die Darstellung des Teletext/Videotext Zeichensatzes hinsichtlich deren Lesbarkeit.
Ein Luminanzfilter für das minimieren der störenden Cross Color Effekte als Vorstufe des später möglichen Digitalen Kammfilters.
und vieles mehr galt es nicht nur technisch zu beherrschen, sondern auch entsprechend verpackt den Zusehern sprich Käufern schmackhaft zu machen.
Exkurs: Der Autor erlebte dies anfang der 1990er Jahre später mit der bereits 3. Generation der Digitalen Grundig 100 Hz Fernsehgeräte, Digi 3 Chassis, die eine Weiterentwicklung dieser Anfänge darstellte.
Das insbesonders in der Auflösung und Farbdarstellung eher "müde" Bild ließ mich damals privat zum herkömmlichen analogen 50 Hertz Gerät greifen wofür ich den Verzicht auf diverse technische Spielereien gerne in Kauf nahm.
Dort hieß es in der Retrospektive, das man es verabsäumt hatte den Kunden (und Technikern die damit noch ihre liebe Not hatten) zu kommunizieren, das man sich damit auf die zukünftige, mit dem D2MAC und weiteren Entwicklungen in Richtung einer volldigitalen Übertragung damals schon gegenwärtig absehbaren Fernsehstandards vorbereiten wolle.
Das ITT in Großbritannien just kurz vor Einführung seiner Digivision Geräte am Markt Schwierigkeiten in Sachen der Verwendung eines bereits vergebenen registrierten Markennamens, eben "Digivision" hatte sei hier nur als Randnotiz vermerkt.
Daher auch hier so wie gültig für alle meine Beiträge auf meiner Website die Abgrenzung:
"Die Nennung im Artikel von Markennamen erfolgt ausnahmslos nur in beschreibender Weise und macht sich der Autor keine Namen zu eigen oder stellt die Rechtmäßigkeit seiner Besitzer nicht in Frage. Es wird auf die jeweiligen Rechteinhaber verwiesen"
Als Schlüsselereignis dabei war die Analog/Digitalwandlung des Video- wie auch Audiosignals nach dem Empfangsteil und Vice versa zurück vor der Bildröhrenansteuerung bzw. der Tonsignalverstärkung mit einem siebenteiligen Chipsatz der rund 300 herkömmliche Bauteile, insbesonders die mitunter anfälligen elektro-mechanischen Trimmpotentiometer für die erforderlichen Einstellungen einsparen half.
Bild: Grobes Prinzipblockschaltbild was nun im Gerät vor sich ging am Beispiel des Digivision 2000 Chassis; Quelle ITT
Die Zentrale Steuerung - CCU - Central Control Unit mit 8 MHz Takt beim Digit 2000
Der Audioprozessor - APU - Audio Processor Unit (APU2400T)
Die Videosignalverarbeitung - VPU - Video Processor Unit für PAL
Die Farbsignalverarbeitung für SECAM - SPU - Secam Processor Unit
Die Synchronisation/Ablenkung - DPU - Deflection Processor Unit
Die Teletextverarbeitung - VPU - Videotext Processor Unit (TPU2722)
Die Abtast-Taktfrequenz betrug 17,7 MHz für PAL und 14,3 MHz für NTSC was der jeweils 4 fachen Farbträgerfrequenz entsprach. (Das war damals schon höher als die seitens der EBU definierten 13,5 MHz bei PAL.)
Bild: ITT Digivision Chipsatz wie er u.a. im 1985er ITT Digivision 3876 HiFi zum Einsatz kam; ©ITT Katalog 1985 by hifi-archiv.info
Bild: Der 1985er ITT Digivision 3876 HiFi als eines der ersten Fernsehgerätetypen mit digitaler Signalverarbeitung Europas der in den Verkauf kam; ©ITT Katalog 1985 by hifi-archiv.info
Ein in der damaligen Gegenwart nicht immer nachvollziehbarer Schritt hin zu einer neuen Technik, damals als Hybridlösung, die aber ab den 1990er Jahren und noch mehr mit dem Ende der analogen Fernsehsignal Übertragung in den 2000er Jahren eine praktische Notwendigkeit darstellte und nicht nur von ITT sondern letztlich von allen Marktteilnehmern mitgetragen wurde.
Vergleiche die aktuelle (2024) anhaltende Thematik mit den Hybridautos/Elektroautos.
In meiner Laufbahn kamen in der Werkstatt oder dem Servicefall diese Geräte von ITT nicht vor. Sie wären da auch noch recht jung gewesen.
Wenn Kollegen ihre praktischen Erfahrungen mit den ersten Digivision Geräten teilen wollen dann bitte um Zuschriften. Danke (10/2024)
Funkschau Heft 24, November 1981, Seite 95ff "Revolution im Farbfernsehgerät"
ITT Katalog Deutschland 1985, by Hifi-Archiv.info
Technikerforum: https://www.radios-tv.co.uk/community/colour-television/itt-digivision/ ; abgerufen am 17.6.2022 (zu Mängel/Erfahrungen)
Gehört zu https://www.scheida.at/scheida/televisionen.htm
Erstellt: 7/2008 by ©Wolfgang Scheida
Updated: 03.10.24