Bild: Der TONEX T50 Garrard Stereo Plattenspieler mit integrierten Verstärker
Eine Verlassenschaftsräumung in der Nachbarschaft ließen mich die beiden großdimensionierten orangenen 40 m³ Entsorgungscontainer wahrnehmen. Dies in der Annahme, dass es da vielleicht etwas seltenes für den Freund der Nostalgie, andere würden sagen, des alten Klumperts, geben würde.
Das Entsorgungsunternehmen hat nebst allem Gerümpel den "Elektroschrott" bereits auf die Seite gestellt. Auf der Eingangssäule stand schon besagter Plattenspieler, für mich nur aus der Ferne wahrzunehmen.
Restliches wie alte SAT Receiver, portable Röhrenfarbfernseher wollte ich mir in diesem Zusammenhang selbst aber auch nicht mehr antun.
Ich fragte das Personal ob ich den Plattenspieler haben könne und freundlicherweise gelangte er so in meinen Besitz zwecks Gerätestudium und Ausprobieren und dem ersten Hineinhören in eine erst jüngst aus einer ähnlicher Quelle erhaltenen "Wald und Wiesen Schallplattensammlung".
Recherchen im WWW ergaben das was man sich so als Vertreter der schreibenden Zunft wünscht: Ein noch weißer Fleck zur Herkunft und speziell zu dieser Type.
Erste unbestätigte Vermutungen gehen in Richtung der Büchergilden wie etwa >Donauland< u.a. die für zumeist günstiges Geld solche Geräte für deren Bücher- und Schallplattenabonnenten Mitglieder veräußerten.
Die TONEX AG, Olten in der Schweiz war ein Hersteller solcher Plattenspieler bzw. Zukäufer und Assemblierer.
Der etwas spartanische Webauftritt des immer noch in Sachen Schallplatten-Abtastsysteme tätigen Unternehmens verweist auf seine langjährige Kompetenz als "the analogue company" was wohl eine weitschweifige digitale Webpräsenz die über EINE Webseite hinausgeht ausschließen dürfte [2].
Bild: TONEX Hersteller-Bezeichnung und Seriennummernaufkleber außen, sowie innenliegender Modelnummernnachweis mit einer zweiten Seriennummer 02898
Das Modell TONEX T50 selbst ist noch nicht im RM.org gelistet (Stand 2022). Auch sonst findet sich dazu aktuell kein Eintrag im Internet.
Was wird mich erwarten können?
Ein GARRARD 4 Geschwindigkeiten Plattenspieler mit einem Stereoverstärker, sicher bereits transistorisiert, vermutlich mit Germanium Transistoren bestückt in der 1,5 bis 3,5 Watt Klasse je Kanal wenn überhaupt.
DIN Anschlüsse für einen externen Tuner sowie einem Tonbandgerät.
Aufbau und Konzeption deuten grundsätzlich auf eine einfache Bauart und damit eher niedrigem Kostenaufwand hin.
Ob die beim Tonarmlager befindliche Halterung für einen aufsteckbaren 10 fach Plattenwechslerarm gedacht ist ist noch zu prüfen.
Das Gerät war stark verstaubt und verschmutzt durch die augenscheinlich schon lange Lagerung noch beim augenscheinlich verstorbenen Vorbesitzer.
Der Auftritt besteht aus einem 1960er/70er Jahre Stil mit Holzmasserungen bzw. Holz-Immitationen an der Seite.
Eine getönte, zudem nicht einmal zerkratzte Plexiglashaube deckt bei Nichtbetrieb den für Langspielschallplatten etwas zu kleinen knapp 18 cm Plattenteller knapp ab.
Eine rote Kontrollleuchte signalisiert den Betrieb des Gerätes an.
Bild: Rote, wohl eine Glimmlampen-Kontrollleuchte und eine Stempelnummer innen an der Holzkassette
Immerhin deutet der Wahlschalter MAN/AUTO auf einen automatischen Plattenspielerteil hin was die Anwahlmöglichkeit der Plattengröße für das richtige Aufsetzen des Abtastarmes nochmals bekräftigt.
Bild: "Automatic for the People" - Die Bedienelemente des TONEX T50 Garrard Plattenspielers. Anwahl der Plattengröße und der Geschwindigkeit. Weiters Manuelle oder AUTO Funktion. Einen Tonarmlift sucht man jedoch vergeblich.
Bild: Draufsicht auf den Garrard Plattenspieler
Der einfach abzunehmende Holz-Plexiglasdeckel selbst hält sich bei Nichtbetrieb mittels zweier mittig angebrachter Führungsstifte am Gerät.
Bild: Rückansicht mit den damals üblichen DIN Buchsen für externe EIN-/Ausgänge sowie dem Lautsprecherpaar
Bild: Typennummern am GARRARD Plattenspielerchassis
Bild: "Amore Motore", der GARRARD Plattenspielermotor
Am Boden sind in den vier Gummifüßen die Befestigungsschrauben für den Deckel eingelassen.
Nach dem Abnehmen des Holzfaserdeckels hat man den Eindruck doch ein wenig was für sein Geld bekommen zu haben.
Bild: Unterseite mit dem schlichten Deckel
Die Netzspannung gelangt über einen einpoligen Drehnetzschalter über eine 100mA Glasssicherung an einen eher bescheiden wirkenden Transformator, in dem zudem das Wicklungspaket lose hin und her geschoben werden kann.
Isolierungen der Netzspannungsverbindungen mit Schrumpfschlauf sucht man vergebens. Eben ein Zeugnis des Baustils der End 1960er/70er Jahre, wenngleich japanische Geräte da teilweise in Sachen Sicherheit für den Techniker schon weiter waren.
Ein Print, befestigt mit zwei Kreuzschlitzschrauben mit zwei Telefunken AD164/AD165 Germaniumtransistor-Komplimentärendstufen und jeweils zwei Vorstufen/Treiber/Phasendreher Transistoren.
Bild: Alles an seinem Platz - Einblick in den Maschinenraum
Gut zu sehen sind auch die beiden mit Siegellack gesicherten Einstelltrimmer für den Ruhestrom. Wollte man diese Einstellen, so würde ich bei bauähnlichen Telefunken Endstufen eine Anleihe zum dort üblichen Ruhestrom nehmen was ich aber hier unterlassen werde.
Auf diesem Print befindet sich auch das Netzteil, schon damals mit einem runden B60/C800mA Brückengleichrichter gelöst.
Ein zweiter Blick offenbart auch schon einen ansatzweise "schwitzenden" bzw. zumindest undichten Netzteilelko. Statt 2.500 hat er 3.600µF bei einem ESR von 0,17. Er verblieb vorerst im Gerät. Ein Netzbrumm war ohnehin nicht wahrzunehmen.
Bild: Elko mit Tollwut ? "Er hat Schaum vor dem Mund...". Gemäß den Meßwerten sieht er schlimmer aus als die gemessenen Daten zeigen! Print von der Bestückungsseite - Siehe die losgelösten temperatur abhängigen Widerstände!
Folgt man den Transistortypen im Web, so findet sich u.a. das TELEFUNKEN Magnetophon M 211 welches hierfür 4 Watt Sinus ausweist. Wir also rund 2 x 4 W Sinus erwarten können.
Eine extern eingespeiste NF mit maximaler Amplitude bei ca. 1.000 Hz verzerrungsfrei an einem 8 Ohm Lastwiderstand gelegt ergab:
ûss lt. Oszi = 5,8 cm/DIV x 2 V/DIV = 11,6 Vss.
Ueff = Uss/2/ Wurzel aus 2= 4,1 Veff
P = U²/R = 2,1 Watt Sinus - Soweit zum Messen und Rechnen.
Wäre noch interessant das Ganze bei einer Last von 4 Ohm zu prüfen.
Leider weiß ich ja nicht welche Lautsprecherboxen bei dem Set einst eigentlich dabei waren. Vom Baualter aber waren es wohl eher 4 Ohm Typen denn 8 Ohm so meine Vermutung.
Bild: Die NF Stereoverstärkerplatine T51a und die TELEFUNKEN AD164/AD165 Komplimentärendstufentransistoren.
Frage: Es hat geraucht - es hat gestunken ? War es gar ein Telefunken?
Sofort erkenntlich war, das sich die NTC Temperaturabhängigen Widerstände vom Endstufenkühlkörper gelöst hatten und so wahrscheinlich ihrer korrekten Regelfunktion nicht mehr nachkommen konnten.
Die Fühler wurden in Folge mit Schrumpfschlauch isoliert und wieder neu angeklebt.
Zwei 20 mm Glassicherungen mit je F 800 mA sichern die Endstufe, als Print T51a bezeichnet ab.
Eine der Sicherungshalter ist teilweise gebrochen und konnte durch ein Lagerteil aus meinem Fundus ersetzt werden. Ebenso eine der Sicherungen bei der sich der Draht innen mechanisch gelöst hatte.
Gemessen habe ich bei rund 20 Volt Gleichspannung knapp 900 mA pro Kanal was schon über den zudem flink abgesicherten 800 mA Sicherungswerten liegen würde.
Der Datumscode der verbauten slowenischen, damals jugoslawischen ISKRA Elkos deutet auf die Fertigungswoche 11/1970 hin. Somit wurde das Gerät um 1970/71 gebaut. Ob die Stempelung >74< auf den Telefunken Transistoren diesbezüglich etwas anderes sagt bleibt vorerst unbeantwortet.
Weiters finden sich einst West-Deutsche FRAKO Elkos sowie grüne Japanische NISSEI Kondensatoren.
Ein zweiter kleinerer Print mit den tandem Klang- und LS Reglern (Printtypen Nr. T51b) und womöglich dem Plattenspielerentzerrverstärker ist getrennt an der Vorderseite angebracht.
Gelöst wird er durch drei zudem schräg ins Presspannholz hinheingedrehte Kreuzschreiben. Zuvor sind per Schlitzschrauben die sechs (!) Drehknöpfe abzunehmen.
Bild: Der Print 51b mit dem Klangregelnetzwerk sowie einer einstufigen Verstärkungsstufe.
Gut zu erkennen sind die Anpassarbeiten am Gehäuse um den Print verbauen zu können.
Den Print musste ich herauslösen um die total kratzenden und aussetzen Potentiometer (eher einfacher Bauart) mit Kontaktspray zu bearbeiten was nur von unten her ging. Inwieweit dies nachhaltig sein wird zeigt uns die Zeit.
Immerhin, eine gehörrichtige Lautstärkeregelung durch eine LS Poti Anzapfung ist gegeben.
Etwas zu wünschen übrig läßt jedoch die Übersprechdämpfung und Kanaltrennung, da man relativ stark auch das Signal vom anderen Quelleneingang im Lautsprecher hat.
Für eine Tonband/Kassettenrekorderaufnahme gibt es über die DIN TB Buchse auch die Möglichkeit das anstehende NF Signal abzunehmen.
Der Print hat zudem zwei Stück Telefunken BC149C Silizium Transistoren im ersten NF Signalweg verbaut.
Bild: Was nicht passt wurde passend gemacht. Einbau des Klangreglerprints
Die Pertinax Prints wirken zwar durchdacht.
Mit dem Blick von uns Technikern im Jahr 2022 wirken sie als einfache Bastelarbeit, kaum anders als mein damaliger Lehrlings Eigenprintentwurf zur "Grundig-Quasi-Komplimentärendstufe".
Was dazugehörte war die Abnahme der bereits vollständig vom Kleber gelösten ALU Frontplatte samt der zugehörigen Reinigung und dem passgenauen Neuaufkleben. Noch in gutem Zustand war die Beschriftung der Regler.
An dieser Stelle frage ich mich zudem inwieweit ein Gerät mit 6 (!) Frontreglern und noch zusätzlich den Plattenspielerbedienelementen der damals sprichwörtlichen Hausfrau "gefallen" hat.
Ob hier nicht schon alleine eine Ablehnung durch die Komplexität der Bedienorgane auch für den Gelegenheitshörer hier und da einzug gehalten hat?
Der Motor läuft, soweit ist das schon die halbe Miete. Wo er aber "schwach anfängt und dann stark nachläßt" das ist bei der Anwahl der AUTO Funktion. Nach dem Absenken des Tonarms ist gleich wieder schluß!
Was auffällt, ist zudem die fehlende weiche Lagerung des Plattenspielers mittels Gummipuffers. Diese dürften hier fehlen oder man verließ sich ganz auf die Gummifüße am Bodendeckel.
Im manuellen Betrieb läuft er schon einmal bezogen auf die Mechanik.
Die Nadel ist wie die vier Geschwindigkeiten vermuten ließen umstellbar auf 78er Schellackplattenabtastung. Ansonsten >M< für Microrille bzw. Langspielplatte.
Die Nadel ist jedoch extrem verschmutzt und bedarf mehr als nur Pinselreinigung. Eventuell wäre ohnehin ein Nadeltausch von nöten was aber erst nach der Instandsetzung und Prüfung des Plattentellerlaufes am Tableau stehen wird.
Bild: KS25 System mit der umlegbaren noch stark verschmutzten Doppelnadel
Grundsätzlich war alles leichtgängig. Der Plattenteller kann nach lösen eines Kunststoffsplints nach oben abgenommen werden. Es ergeben sich aber keine Anhaltspunkte woran es im Detail fehlen würde.
Beim Reinigen des Gummiantriebsrades das noch weich und ohne sichtbarer Delle arbeitet bleibt es. Alle Lager sind sauber und ohne erkennbaren Befund. Das gilt auch für die Teile die nach Ausbau des Chassis von der Unterseite her erreichbar sind.
Bild: Etwas für einen "Mach-Hiniger"? Einblick in den Maschinenraum von oben. Lösen der Aluabdeckung und des Splints.
Ich betreibe nach der Geräteinstandsetzung, den Messungen und "dem Spielen" damit den NF Germaniumverstärker an der Wohnzimmer HiFi-Anlage, wo ich ihn als zweiten Verstärker alternativ an die Signaleingänge sowie den Lautsprecherboxen schalten kann.
Bild: Das Gerät, schlussendlich durchaus herzeigbar gereinigt und etwas aufgearbeitet im Wohnzimmer
Wunder bezüglich der NF Leistung darf man sich keine erwarten. Eine akzeptable Wohnzimmerbeschallung mit brauchbaren Bässen und Klangvolumen schafft er aber allemal was ich mir bewußt mit dem Hineinhören in meine einstige CD Sammlung bestätigt habe.
Eine merkliche Temperaturentwicklung nehme ich dabei keine wahr.
Was wieder einmal fehlt, dass ist eine fernbedienbare Lautstärkeregelung bzw. fernbedienbare Quellenwahl. Aber das Thema hatten wir ja schon so oft.....
Der Plattenspieler funktioniert grundsätzlich. Der Klang läßt aber wohl ob des "zu Tode" gelagerten Abtastsystems welches ich NICHT erneuern möchte zu wünschen übrig.
Ein Lifthebel für den Tonarm zum Anwählen von ausgewählten Musikstücken fehlt mir hier zudem.
Obligatorisch für diese Art Endstufen sind auch der jeweilige Einschalt- bzw. Ausschaltplopp in den Lautsprechern durch die Lade. bzw. Entladevorgänge der Elkos die hier nicht mittels Relais abgetrennt werden.
Es verbleibt also noch ausreichend Verbesserungspotential für allfällig zukünftige Besitzer des Gerätes.
Bild: Meine aktuelle "Wald-und Wiesen" Schallplattensammlung wie ich sie ebenso aus einer Entsorgung zumindest temporär sichern konnte. Nicht alles trifft den Musikgeschmack, aber was soll's.
Lediglich zwei Langspielschallplatten haben sich originär aus meiner Jugend erhalten:
© 11/2022 Wolfgang Scheida / Wien,
zu www.scheida.at/scheida/televisionen.htm gehörend
Letzte Überarbeitung: 04.02.24