Bild: HORA Radioplakat um 1924 [1]
Eine Zeitreise zu ehrbaren
Koryphäen, mutmaßlichen Winkelwuchergeschäften und Konkursen
Anmerkung: Der Beitrag zu "HORA - ein vergessener Wiener Radiohersteller der 1920er Jahre" wurde in 12/2021 in der österreichischen Fachzeitschrift "Radiobote" vom Autor erstveröffentlicht.
Die stetige Digitalisierung nun auch radiotechnischer Literatur zum Anlaß des 100 jährigen Jubiläums des Radios in Österreich bescherte uns Einblicke in ein frühes Händlermagazin, "Der Radiohändler" mit dem Jahrgang 1 aus 1924.
Bild: Prominent auf der ersten Umschlagseite plaziert die HORA AG auf dem Heft 15 vom 15. September 1924 des "Der Radiohändler". Quelle: ANNO
Und während selbiges Magazin die ersten Ausgaben bis Heft 7 1924 noch in neutraler Aufmachung am Umschlag erscheint, so ändert sich dies ab der Nummer 8 bis zur Nummer 2 1925 schlagartig wo wir das schon bekannte HORA Radio Portrait sehen.
So folgte wie zu erwarten war in Ausgabe Nr. 15 ab Seite 4 die Vorstellung der Firma HORA Radiofabrik AG, deren bisher noch unbekannten Aspekte aus dem Beitrag als Ergänzung zum bisherigen Beitrag, siehe unten, angeführt werden:
Die Beschreibung wie auch die Bildwahl ähnelt dem bereits bekannten Artikel aus Radiowelt Nr. 27 1924.
Als Besonderheit von HORA wird das zudem weiter ausbaubare "Einheitsgerät" angeführt. Auch die Fertigung von Klein- sowie Großlautsprechern wird nach erfolgreichen Labortests angekündigt.
Interessant ist ferner das bereits vorhandene Vertriebsstellennetz für den Detailverkauf der Geräte die selbst das benachbarte Ausland mit einschließt:
Wien, 1. Bezirk
Arthur Lion, Kolowratring 10.
Radio-Industrie, Seilerstätte 16.
SiegfriedWacht 1, Graben 12.
Elektro-Sol, Dominikanerbastei 19.
III. » Hugo Groß & B r u d e r, Marxergasse 3.
IV. » Ing. Michel F r o n e k, »Belgam-Werke«, Kühnplatz 6.
VI. » Beleuchtungshaus Walter, Gumpendorferstraße 88 b.
VII. » Radio-Soffer, Neubaugasse 2.
Rohm & Ander 1, Mariahilferstraße 80.
»Stafa« Warenhaus, Mariahilferstraße 120.
VIII. M o s e r & C o., Strozzigasse 17.
XIII. Hofrat Ing. St. H u s n i k, Penzingerstraße 117.
XVIII. Ing. Müller, Martinstraße 17
XIX. Robert Scherer, Zehenthofgasse 8
Klagenfurt: Hans Schmidt, Gabelsbergerstraße 17
Graz: O. Parti, Radiosporthaus, I. Bez. Raubergasse 3
Innsbruck: Tyrolia-Verlag, Maria Theresienstraße 15.
Schweiz: Josef Lang, Zürich, Waisenhausstraße 2
Ungarn: Karl Testverek, Budapest, Ferencz-Körut 44.
Eine jüngst online angebotene
Kleinsammlung von eingerahmten Radioplakaten ließ mich bei dem mir bis dahin
unbekannten Markennamen "HORA AG" kurz innehalten [1].
Denn Glücksritter die im
Österreich der Zwischenkriegszeit in Sachen Radio im
Jahre 1924 ihren Anteil am neu zu verteilenden großen Kuchen begehrten gab es
viele.
Neben den uns bekannten, teils über
Jahrzehnte bis in die Nachkriegszeit bestehenden österreichischen Unternehmen
wie auszugsweise ZERDIK, RADIONE, SCHRACK, MINERVA, KAPSCH, ÖTAG, OTTO SOMMER,
NISSL-CZEIJA, INGELEN, TESIG, WSW-SIEMENS, TELEFUNKEN, PHILIPS, HORNYPHON,
EUMIG, später noch HEA, STUZZI und andere, gab es auch so
manche "Eintagsfliege" in der Branche.
Nicht ohne Grund wurde gar behauptet,
dass es Ende 1924 in Wien mehr Radioverkaufsstellen denn Maronibrater gegeben
haben soll, was einer nachhaltigen Wirtschaftlichkeit klarerweise entgegen
sprechen musste [20].
Die HORA AG, Grinzinger Straße 5-7,
1190 Wien war wohl so eine.
Bild: Einladung zum Radiokonzert im Jahre 1924 mit HORA Radiogeräten in "Die Stunde" [19]
Nachdem selbst im Dezember 2022 im
Radiomuseum.org noch kein Gerät gelistet ist und auch unser Radiobote hier noch
weiße Seiten aufwies begab ich mich auf die Suche.
Zudem bestätigt sich immer wieder, dass
sich noch so manches radiotechnisches Kleinod auch in unserer Wiener Großstadt
verborgen findet das es verdient aufgearbeitet zu werden.
Hier muß ein wenig ausgeholt werden.
Denn wie der Name, aus dem spanischen kommend andeutet, steht HORA für die
"Zeit", die "Uhr" oder die "Stunde".
Folgerichtig war "HORA", Wien XIX, eine
bereits vor dem Radioboom 1912 gegründete
Präzisionswerkstätte für Mechanik und Uhrenbau. So findet sich HORA erst einmal
im Umfeld der Uhren- und Regulatorensammler wieder.
Demnach
"stand dahinter Karl Satori, gebürtig am 22. Juni 1871 in
Marmoros-Szigeth (Ungarn), der in jungen Jahren nach Wien (Der
Hauptstadt der Monarchie) kam wo er sich technisch-physikalischen Studien
zuwandte.
Auch dieser Abschnitt seines arbeitsreichen Lebens beinhaltete bereits den
Aufbau des Laboratoriums bei den damals gegründeten Wiener Städtischen
Elektrizitätswerken.
Für die Wiener Universitätssternwarte war er auch viele Jahre als Uhrmacher und
Mechaniker tätig.
Sein Arbeitsgebiet umfasste die meisten Zweige der technischen Physik seiner
Zeit, insbesondere Photometrie und Photographie, Röntgen- und
Leuchtfarbentechnik, Schwachstrom- und später
Radiotechnik, Meteorologie,
Astronomie und Zeitmessung. Aus seiner Werkstätte sind unter anderem
Spektrographen, Mikrometer, Spezialokulare und parallaktische Montierungen für
astronomische Fernrohre, ferner weit über 100 Präzisionspendeluhren und ganze
Zeitdienstanlagen für Sternwarten und geodätische Institute des In- und
Auslandes hervorgegangen.
Dazu gehörten elektrische Uhrenantriebe und auch die Zeitdienstanlage der Wiener
Urania-Sternwarte im Jahre 1906, die nach dem 2. Weltkrieg von Ing. Satori neu
errichtet wurde.
Satori war eines der Gründungsmitglieder der Wiener Urania.
Karl Satori verstarb am 8. März 1954 nach kurzer, schwerer Krankheit in seinem
83. Lebensjahr und wurde am Friedhof Grinzing mit der Titelangabe Dipl. Ing.
beerdigt. [2]
Seine auch Lehrtätigkeit als
Uhrmachermeister und damit als Innungsmitglied, samt
dem Verweis, wonach sein Haus in Grinzing für viele Jahre hindurch der
Treffpunkt prominenter Vertreter der technischen Entwicklung seines Faches war,
deuten darauf hin, dass er letztlich private und geschäftliche Finanzen
offensichtlich gut genug zu trennen wusste.
Auch dürfte sein Ausflug in das
"Abenteuer Radio" letztlich nur von kurzer Dauer in den ersten Jahren seiner
Einführung in Österreich gewesen sein.
Die "Zeitschrift für Elektrotechnik", Wien 1903, führt K. Satori ebenfalls mit mehrfachen
versierten Fachkommentaren zu obigen Themen an [3].
Hierbei sei angemerkt, dass es auch weitere Nachnamensgleiche Satori's, tätig im technischen Umfeld gab.
1908 referiert er im Wiener Elektrotechnischen Verein über die Temperatur in Glühlampen [4].
In Sachen Radiotechnik begegnet uns
Satori in Fachbeiträgen, die im "Radio Amateur", im Beitrag über
Transponierungsempfänger bzw. Super-Regenerativ-Schaltungen von A. M. Hofmann
Erwähnung fanden. [5]
1923 wurde die "Hora
Präzisionswerkstätte für Mechanik und Uhrenbau GmbH", bereits in Liquidation
befindlich, mitsamt ihren Aktiva und Passiva in eine neu gegründete
Aktiengesellschaft, der HORA Uhrenfabrik A.G. überführt [7].
Diese war von "hervorragenden
Persönlichkeiten aus der Branche und erstklassigen Industriellen und
Finanzpersönlichkeiten, wie die Uhrenfabrikante Arnold und Paul Bellak, Dr.
Löwenfeld-Ruß, der Rechtsanwalt Dr. Hermann Löw, die Industriellen Adolf Haag
und Edgar Tafler und als Leiter des Betriebes die in Fachkreisen sehr
geschätzten Ingenieure Karl Satori und Max Schanzer* besetzt worden"[8].
In der außerordentlichen
Generalversammlung vom 5. Februar 1924 beschloss der Verwaltungsrat der HORA
Uhrenfabrik A.G. eine Erhöhung der Aktiennominale von 30 Mio. Kronen auf 310
Mio. Kronen [9]. (Letzteres entspräche im Jahr 2021 einer Kaufkraft von 130.000
Euro [10].)
Unser "Museumsbote" Nr. 25 aus 1991
(Anm.: Nachmals Zeitschrift Radiobote), führt in Verbindung
mit den damaligen Patentschwierigkeiten und daraus folgenden Verhandlungen mit
Telefunken, den Fachverband der Elektrizitätsindustrie an, der eine eigene
Interessensgemeinschaft, die “Fachgruppe der Radioindustrie“ konstituiert hatte.
In dieser Gruppe erscheint für uns Radiohistoriker im April 1924 erstmals der
Name "Hora AG" [11].
Dieser Vorgang wird aber alle Anbieter des Marktes
gleichermaßen getroffen haben.
Es folgen Nachweise zu den Teilnahmen an
der Wiener Radio Messe im Jahr 1924 und 1925 [16], siehe Bild 2, ehe uns 1925
ein Zeitungsartikel über die "Wuchergeschäfte des Kreditanstalt-Konsortiums" den
Konkurs der HORA A.G. erläutert.
Das Glück war dem Unternehmen nicht
hold, und so leitete der Industrielle Herr Schiff eine Finanzierung in die Wege,
die ihn auch zugleich zum geschäftsführenden Verwaltungsrat der HORA AG ernennen
ließ.
Ein angeblich Englischer Finanzmann und
Großindustrieller soll mit Kreditvermittlungsgeschäften zu wucherischen Darlehen
bereits andere Firmen zuvor in Bedrängnis gebracht haben.
Die HORA AG konnte mit 2,5% Zinsen im
Monat (=30% p.A.) die "Wohltat des Kredits
genießen" und musste in Folge in den Konkurs gehen [8].
Als Strohmänner für diesen
möglicherweise nur vorgeschobenen Finanzmann wirkten Persönlichkeiten des
Wirtschaftslebens mit honorierten Namen mit, die wir zum Teil auch heute noch
aus dem Österreichischen Wirtschaftsleben her kennen.
Es folgte, wie wir heute sagen würden
eine Finanzspritze von 500 Millionen Kronen zu den 30%
Zinsen per anno und einer Hypothek auf die "HORA"
Liegenschaft in der Grinzingerstraße Wien 19. Diese war sicherheitshalber gleich
auf 530 Mio. Kronen erhöht worden und war auf den Englischen Finanzmann und
nicht auf Herrn Schiff ausgestellt.
Es stellen sich die Fragen,
Für uns Radiosammler bot die "HORA AG"
leider bisher nur Sammelgut in Schriftform und
in Faksimiles.
Unserem Wiener Sammlerfreund Herrn Macho ist
ebenso in 40 Jahren nur ein einziges Gerät, ein Dreiröhren Batterie
Steilpultgerät das vor einigen Jahren Online verkauft wurde bekannt geworden.
Die Befestigungsart des daran angebrachten Typenschildes mit Fabrikationsnummer
"395" lassen jedoch Restzweifel an der Authentizität des Markenzusammenhanges
aufkommen.
Vermutlich entstanden in den Jahren 1924
bis 1925 nur einige Labormuster bzw. Ausstellungsgeräte.
Nachgewiesen wären lt. Foto auch für
Jänner 1925 ein Hora Spezialdetektor, der bei einem Preisausschreiben als 4.
Preis vergeben wurde [18].
Es bleibt die Annahme des Autors, dass
der Übergang von (teurer) mechanischer Präzision sowie technischen
Einzellösungen u.a. im Großuhrenbau hinein in ein elektronisches Massenprodukt
wie dem Radio wirtschaftlich unter den gegebenen Voraussetzungen und wohl auch
dem damit verbundenen selbst gewählten Qualitätsanspruch nicht darstellbar war.
Wenn auch überlebende Geräte bisher noch
Fehlanzeige sind oder mangels Marken und Typenschilder noch unbekannter Weise in
Sammlerhänden schlummern, so kann zumindest die seinerzeitige Werbetrommel,
Propaganda genannt, als ausreichend gerührt gelten.
Vertretungen: Ing. Kalmar & Griess, elektrische Licht- und Kraftanlagen,
Gesellschaft für elektrische Uhren;
Zentralverkaufsbureau für Radiumpräparate, Dr. Alois Fischer
für aktivierte Leuchtfarbe.
Einen ebenso beteiligten Techniker mit
Tiefgang, oder besser gesagt mit Höhenflug, gab
es in der HORA AG:
*Ing. Max SCHANZER,
Oberleutnant der k.u.k. Luftfahrttruppen, Buch: Technische Praxis,
Flugmotoren, 1918; Verlag der Waldheim-Eberle AG, Wien-Leipzig,
Bild: Sammlung E. Macho: Foto,
Messestand der "HORA" AG um 1924
© 7/2021 -by W. Scheida zu www.scheida.at/scheida/televisionen.htm
Letzte Überarbeitung: 05.11.24