Televisionen:

Die österreichischen MINERVA 1950er Jahre Fernsehschränke 569, Belvedere 589 und Gloriette 590 im Vergleich

 

Aus der Rubrik: "Was sie schon immer zum Fernsehen in Österreich wissen wollten, aber nie zu fragen wagten"

Minerva Gloriette Rundfunk Radio Fernseh Phono Schrank

Einleitung:

In den späten 1950er Jahren bot das Wiener Unternehmen MINERVA-Radio, W.Wohleber & Co., Spezialerzeugung für Radioapparate und Bestandteile, Wien VII., Zieglergasse 11 mehrere Modelle seiner Rundfunk-Fernseh-Phono Kombinationsschränke an. Und man findet deren relativ gesehen sehr häufigen Restbestand immer noch in den einschlägigen Internet-Angebots Portalen,

 

Geräte die einst allesamt sehr teuer waren, boten sie doch als frühe "Multimediacenter" bis auf ein Tonbandgerät alles war eben in den damaligen Verkaufssaisonen angesagt war.

 

Die Saisonen waren dabei von 1956/57 bis etwa 1960/61, was zum einen die Zeit des reinen VHF Sendernetzes in Österreich mit nur einem Fernsehprogramm abdeckt. 

Zum anderen ab August 1955 ja erst das Versuchs-Fernsehprogramm in Österreich begann.

Die erste MINERVA Kombinationsmodell Geräteserie somit die je nach Sichtweise auch erst die zweite MINERVA Fernsehgerätegeneration darstellt (Die Erste war der FS43/FS53).



Minerva FS43 - Erste Generation Fernsehgerät 1955


Bild: Der MINERVA FS43 aus 1955, dem Jahr als Fernsehen in Österreich begann, Quelle: MINERVA Werbeschaltung 1955

Inhaltsverzeichnis:


  1. Einleitung
  2. Erste Begegnungen mit dieser Geräteklasse
  3. Mein eigener 569er Schrank
  4. Die MINERVA Fernseh-Kombischränke im Vergleich
  5. Ein Bildvergleich
  6. Tabelle - Kurzzusammenfassung der Gerätedaten
  7. Exkurs: Woher kamen die Namen für die Geräte
  8. Unterscheidung der Geräte
  9. Schrank 569(A)
  10. Belvedere 589(A) 
  11. Gloriette 590(A)       
  12. Argumente für die damalige Wahl eines MINERVA Schranks
  13. Der damalige Wettbewerb
  14. Exkurs: Die Sache mit der Sicherheitsglasscheibe
  15. Die Marktsituation heute
  16. Fazit
  17. Lesetipps zum Thema
  18. Quellen und Literaturnachweise


Erste Begegnungen mit dieser Geräteklasse:

Die erste eigene Begegnung mit einem solchen Fernseh-Radio-Phonogerät hatte ich gleich in meinem ersten Lehrjahr.

Aber nicht etwa bei Kunden oder in der Werkstatt.

Sondern, wenn ich stadteinwärts nach Hause mit der Straßenbahn fuhr, dann ging die Fahrt in der noblen Vorort Gegend Wiens stets an einem Palais mit parkähnlichem Garten vorbei. Ganz zufällig war die Szene nicht weit weg vom Schloss Schönbrunn. Doch siehe später mehr dazu.

 

Und passend zu diesem Artikel, stand da tatsächlich eine MINERVA Fernseh-Radio-Phono Kombination einfach so im Garten abgestellt. Die Detail Type und das es da überhaupt mehrere Varianten gab war mir damals natürlich noch nicht geläufig.

 

Die Witterung tat in den Tagen und Wochen ihr übriges, bis sie wohl eines Tages entsorgt wurde.

Zwar überlegte ich mir, dort anzuklopfen und nach dem Gerät zu fragen.

Eine praktische Transportmöglichkeit für das nicht gerade kleine Gerät und noch mehr eine Aufstellmöglichkeit zu Hause von dem durch die Witterung ja dchon mehr und mehr ramponierten Gerätes fand ich jedoch nicht weshalb ich es letztlich sein ließ.

 

Ersatzteile von diversen 1950er MINERVA Kundenrücknahme Geräten aber hätte ich damals Mitte der 1980er Jahre noch recht problemlos ausschlachten können.

 

Mein eigener 569er Schrank

 

Auch ich hatte viele Jahre später Anfang der 2000er Jahre über irgendeine Quelle ein schon etwas technisch ramponiertes Gerät, den 569er Schrank erhalten und mich mit der Instandsetzung (nicht Restaurierung) beschäftigt. Frei nach dem Motto, aus zwei mach eins. Das Transportmittel und der Aufstellplatz waren damals zum Glück kein Thema.

 

Was ich an diesem Gerät erfuhr und lernen konnte lesen Sie später.


Die MINERVA Fernseh-Kombischränke im Vergleich:


Hier möchte ich eine kleine Vergleichsaufstellung der betreffenden Modelle geben um den interessierten Sammlern wie auch Verkäufern und Forschern die Unterschiede auch in der Wertigkeit und dem noch aktuellen Nutzungsverständnis geläufig machen.

 

Ein Bildvergleich der Modelle:

 

  Rundfunk-Fernseh-Phono Kombination "Schrank"
569 (43cm)
Rundfunk-Fernseh-Phono Kombination
Belvedere 589 (43 cm)
Rundfunk-Fernseh-Phono Kombination
Gloriette 590 (43cm)
43 cm Aus-führung Minerva Schrank 569 Danke für Ihre Bildspende!  Danke für Ihre Bildspende
Röhren mit Bildröhre  Radio & TV (20):

PCC88, PCF80, EF80, EF80, EF80, PCF80, PCF80, PCL82, PCF80, ECH81, PCF80, PL36, PY81, DY87, ECH81, EBF89, EM81, EF83, PL84,
AW43-80 (AW53-80), Trockengleichrichter
Radio (10):

ECC85, ECH81, EF89, EBF89, EABC80, EM81, ECC83, EL84, EL84, EZ81

TV (20):

PCC88, PCF80, EF80, EF80, EF80, EF80, PCF80, PCF80, EF80, PCL82, ECH81, PCF80, PCF80, PCL82, ECH81, PCF80, PL36, PY81, DY87,
AW43-80 (AW53-80), Trockengleichrichter  
Radio (10):

ECC85, ECH81, EF89, EBF89, EABC80, EM81, ECC83, EL84, EL84, EZ81

TV (19):

PCC88, PCF80, EF85, EF80, EF80, EF80, EF80, EF80, 
PCL84, EM84 (PM84), PCF80, PCL82, PCF80, ECH81, PCF80, PL36, PY81, DY87,
AW43-80 (AW53-80), Trockengleichrichter   
  Type Suffix A für 53 cm Type Suffix A für 53 cm Type Suffix A für 53 cm
53 cm Aus-führung Danke für Ihre Bildspende!  Danke für Ihre Bildspende!  Minerva Gloriette 590A 
Type am Deckel Minerva Schrank 569 Minerva Belvedere Type 589 Danke für Ihre Bildspende! 
Rück-ansicht  Danke für Ihre Bildspende!   Danke für Ihre Bildspende!   Danke für Ihre Bildspende!  

Tabelle 1: Kurzzusammenfassung der Gerätedaten


Verkaufs-saison Modellname Type Bildröhrengröße Preis Röhrenzahl ges. Besonderheit
   
1957 Schrank 569 43 cm öS 11.750,-[3] (10.950,-) 20 Kombiniertes Radio/TV Chassis; Dual 295, 4 Geschwindigkeiten Plattenspieler, 5 Lautsprecher
1957 Schrank 569A 53 cm öS 13.750,-[3] 20  
1957/58 Belvedere 589 43 cm   30 Getrenntes 10 Röhren Rundfunk Chassis 589R mit 2x EL84 und ein TV Chassis mit vierfach Tastenaggregat; Komfortable getrennte Radio/TV Tunerabstimmung, 5 Lautsprecher, Mehrfachklangregelung, Dual 295T1, 4 Geschwindigkeiten  Plattenspieler
1957/58 Belvedere 589A 53 cm öS 13.750,- 30  
1959/60 Gloriette 590 43 cm 29 Gleiches Belvedere Rundfunkteil. Jetzt siebenfaches TV Tastenaggregat mit einer Abstimmanzeigeröhre beim TV Teil. UHF vorbereitet. 5 Lautsprecher
1959/60 Gloriette 590A 53 cm   29  
             

Anmerkung: MINERVA Schrank für die Type 569(A) ist hier die gebräuchliche Modellbezeichnung und keine reine Geräteklassen Bezeichnung!



Exkurs: Woher kamen die Namen für die Geräte?


Das Belvedere:

Bei der Gelegenheit für meine Nicht Wiener Leser:

Das Schloss Belvedere ist ein barockes Ensemble in Wien 3. Die Namensdeutung aus dem italienischen heißt dabei soviel wie "schöne Aussicht" was unserem Geräteauftritt ja sehr gut steht!

 

 Quelle: Wiki CC-BY-SA 3.0/Thomas Ledl

 

Bild: Das Schloss Belvedere; Quelle: Wiki CC-BY-SA 3.0/Thomas Ledl

 

Für das Österreich der 1950er Jahre hat es mit dem Ereignis am Balkon des Belvederes mit dem im inneren geäußerten tiefgründigen Satz: "Österreich ist Frei" im Jahr 1955, nach 10 Jahren der Besatzungszeit ein zudem sehr starkes unsere Nation identitätsstiftendes Merkmal inne.

 

 

Bild: Sonderbeiträge zum österreichischen Staatsvertrag am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere mit der ikonisch gewordenen Szene "Österreich ist frei!" des Außenministers Leopold Figl am Balkon; ÖsterreichIllustrierte1955;

 

Hinweis: Auch die standard MINERVA Fernsehgeräte hatten u.a. diese Namensgebungen.

Die Gloriette:

Etwas weniger schwer lastig haben wir die Namensgebung "Gloriette".

Glorietten dienten zumeist als reiner Blickfang (Point de vue) was ja ebenfalls dem Wesen nach einem Fernsehbildschirm zuträglich ist.

Ein Bauwerk in Gehweite über dem bekannten Wahrzeichen Wiens dem Schloss Schönbrunn auf der Anhöhe entfernt und ebenso ein Blickfang und Pflichtbesuch für Gäste und Einheimische.

 

 

C Thomas Wolf, www.foto-tw.de (CC BY-SA 3.0 DE)

 

Bild: Die Gloriette in Wien; Quelle: © Thomas Wolf, www.foto-tw.de (CC BY-SA 3.0 DE)

 

Hier haben wir neben dem gefälligen ausdrucksstarken Bauensemble nach dem Chaos des 2. Weltkrieges auch ein wenig die Flucht vor dem Alltag in die Verklärung der Habsburger- und Kaiserzeit verankert wie sie im Österreich der 1950er Jahre in Filmen wie "Kaisermanöver", "Königswalzer" sowie als Krönung des ganzen mit den "Sissi" Filmen zum Ausdruck kamen.




 

Im Kern lassen sich die Modelle folgendermaßen unterscheiden:

 

Anmerkung: Die Zusatzbuchstabe A steht für die 53 cm Bildröhre!

 

Alle Modelle besitzen:

 

Vertikaler Bildfang - verzerrtes s/w Fernsehbild Testbild österreichisches Fernsehen 1950er Jahre

Bild: Der vertikale Bildfang (sowie horizontale Zeilenfang) war noch manuell vom Zuseher einzustellen. Frei nach dem österreichischen Kaberettistenduo Pirron & Knapp "Bei die Knöpf bei de vier muaß ma wissn wia ma draht..". Zum optimalen Einstellen half das damals obligatorische Testbild.


Model "Schrank" 567(A) in der "Sparefroh" Ausführung":



Vorteil:


Nachteil:

 




Minerva Schrank - Geteilte UKW Skala

Bild: "Geteiltes Leid": Das UKW Band ist aufgrund des eigentlichen 7 MHz Kanalrasters des hier verwendeten Fernsehtuners in zwei Bereiche geteilt:  88 bis 94 MHz und 94 bis 100 MHz.


Minerva Rundfunk-Fernsehschrank 569


Bild: "Bedienung per Knebelvertrag" - Mühevolles Umschalten um z.B. vom TV Kanal 5 (Wien-Kahlenberg) auf UKW Radio zu kommen und Vice versa! MINERVA Werbeschaltung

Mein damaliger eigener MINERVA 569er Schrank

Wie obig erwähnt, besaß ich einige Zeit nach 2000 selbst so ein Gerät als zudem schönen Blickfang in meinem geräumigen Büro stehend.
Es war die 53 cm (A) Version bei der die Bildröhre aber leider schon einen abgeschlagenen Hals hatte.
Ebenso fehlten zwar nicht unersetzbare aber doch nicht unrelevante Teile aus der Hochspannungsstufe.

Da ich mit der Zeit etwas haushalten musste, beschloss ich ein parallel angeschafftes MINERVA Belvedere 53, Typ 579 Fernsehgerät (Standard TV) instand zu setzen.

Minerva Belvedere 53, Typ 579
Bild: Der MINERVA Belvedere 53, Typ 579 Tischempfänger mit bauähnlichem Chassis. Es fehlt das mittige Tastenaggregat wie beim Belvedere Kombischrank!

In Erinnerung blieb mir der dort defekte Vertikalablenktrafo der sich transplantieren ließ.

Den 569er TV Teil habe ich somit nicht mehr ins laufen gebracht.
Dies gelang mir jedoch bei dem besagten Schwester-TV Modell. Anders der Radioteil wo mir dies mit dem Tausch, der Reparatur üblicher altersrelevanter Bauteile wie Kondensatorentausch etc. gelang.

Aber auch hier war bei allem guten Klang mit den 5(!) Lautsprechern in dem massiven Holzgehäuse die praktische Bedienung mit der Bandwahlpflicht beim UKW Radiodurchstimmen einer längeren Behaltedauer des Geräts oder gar einem vollständigen Aufarbeiten hinderlich weshalb ich es an einem weiteren Sammler der sich damit beschäftigen wollte veräußerte.

Als nicht unwesentliches Detail der Schaltung kann man die Ausnutzung der PCL82 Vertikalendstufenröhre samt Ausgangstransformator anführen.
Eine durchdachte Umschaltung läßt diese Vertikalendstufe im Radiobetrieb als Bass- bzw. Tieftonendstufe den Basslautsprecher gewissermaßen als "Subwoofer" bespielen. Die PL84 verbleibt dann für die normale NF Verstärkung für die Mitten- und Hochtonlautsprecher.


Hätte ich mehr Platz würde dieser Schrank vielleicht noch bzw. wieder meine Sammlung zieren.
Im Fall einer "Neuanschaffung" aber würde ich in jedem Fall zum MINERVA Belvedere 589 oder der Gloriette 590 greifen.
Letztere sogar dann wenn sie schon mit einem dann hoffentlich originalen UHF Kanalwähler MINERVA Typ 600/3 nachgerüstet wurde! 
Die Krönung wäre ein Gerät mit zudem original eingebautem/nachgerüsteten MINERVA Osttonadapter.

  Minerva UHF Tuner 600/3 Minerva Osttonadapter PCF80


Bild: Der hier passende MINERVA Nachrüst UHF Tuner Typ 600/3 sowie der damals erhältliche Osttonzwischenadapter mit der PCF80 für den notwendigen 1 MHz Oszillator

MINERVA Belvedere 589(A)

Merkmale:

Außen:

Technisch:

 

Vorteil:

 

 

Nachteil:

 


MINERVA Gloriette 590(A)



Wie der/das Belvedere jedoch zusätzlich:

 

Meine eigenen praktischen Erfahrungen an einem solchen MINERVA Gloriette 590er Gerät, dies mit einem Kunden "im Genick" stehend, schildere ich in meinem Beitrag: Unerfuellte_Erwartungshaltungen_an_Nostalgiegeraete.htm

Wobei ich damit weder MINERVA, noch dieser Type im Besonderen oder gar dem Kunden schlechtes nachsagen möchte sondern einfach die Fakten zu solch letztlich komplexen Themen zusammenfasse um falsche Illusionen zu vermeiden!



Argumente für die damalige Kaufwahl zu einem MINERVA Schrank lassen sich leicht finden:


Nachteile: 

 

Bild: Passende VHF Band III Zimmerantenne zu diesen Nostalgiegeräten. In der Praxis dann immer auf einem Häckeldeckchen am Deckel des Plattenspielers stehend. Beim Herunternehmen waren/sind dann die Kabel zu kurz und es reißen die Stecker ab..... Dazu kommt das danach wieder erneute Einrichten der Antenne auf bestmöglichen schattenarmen Empfang.

  


Der damalige (lokale) Wettbewerb:


Anders, als wir dies etwa vom US Markt kennen, war in den 1950er Jahren in Österreich die Auswahl an dieser Art Kombinationsgeräte recht bescheiden. Galt es doch für die Hersteller zuerst die Kunden überhaupt erst in die finanziell leistbare Nähe eines Fernsehgerätes zu bekommen. Hinzu kamen noch weitere Kaufwünsche wie der Kühlschrank, die Waschmaschine, das erste UKW Radio, der Motorroller oder gar das Auto!


Für eine Vergleichbarkeit für Kombi-Schrankgeräte kommen hier nur in vertikaler Anordnung ausgeführte Geräte zum Zug. 


Reine Radio- und Fernseh Kombinationen wie etwa nachstehende Modelle passen hier aber nicht ganz aufgrund des jeweils fehlendes Phonoteils sprich Plattenspielers ins Schema. 



 

 

Interessanterweise bot der "Platzhirsch" PHILIPS kein Gerät in dieser Klasse in jenen Saisonen an, sondern überließ hier das Feld seiner Schwesterfirma HORNYPHON!  


Als Ausnahme, weil in breiter horizontaler Anordnung aufgebaut darf der 

sowie der 

Das damals in Sachen Unterhaltungselektronik noch stark präsente Unternehmen KAPSCH

 

war in dieser Geräteklasse dafür gleich mit mehreren Modellen am Markt präsent:

 

 

Hinzu kamen noch der

 

Wobei mir subjektiv der KAPSCH SFS58A in der 43cm Ausführung, im Unterschied zum MINERVA hier in schlichtem modernen Stil gehalten am Besten gefüllt.

 

Kapsch Fernseh-Radio-Phonoschrank-SFS58A-43


Bild: "Geschlossene Gesellschaft" im Fall des Nichtbetriebes beim KAPSCH SFS58A/43

Aufgeräumt hat er links das damals aktuelle KAPSCH Fernsehchassis des TFS58 integriert. Es folgt das KAPSCH Karat Radio Chassis sowie unter einer Klappe versteckt der 4 Geschwindigkeiten Plattenspieler-/wechsler.

 

Kapsch Fernseh-Radio-Phonoschrank-SFS58A-43_Radioteil

 

Bild: "Heimleuchten" bei der Bedienung des elegant versteckten Plattenspielers

 

Für die Ablage oben am Gerät wiederum bietet er genug Platz für z.B. Schallplatten, damals auch noch den gebräuchlichen Schellacks, für eine Zimmerantenne, einer Fernsehleuchte, dem zukünftig benötigten UHF Konverter bzw. einem Tonbandgerät.


Die praktische Bedienung des Plattenauflegens wird aber zugegebenermaßen beim MINERVA von oben (wenn die Oberseite frei von Ablagegegenständen war) leichter gewesen sein als beim KAPSCH wo man sich hinunterbücken und im niedrigen Fach herumfummeln musste.

Zwar von eleganz zeugend, aber letztlich eine nutzlose Platzverschwendung stellt der Raum zwischen den vier zarten Beinen zudem ohne Rollen für eine Beweglichkeit dar.  


Für den ende der 1950er Jahre aufkommenden Stil der "Moderne" mag dieses Gerät mitunter besser in die neu entstehenden kleinen "Eigentumswohnungen" und "ÖSW - Siedlungswerk" Bauten gepasst haben.

Dazu passen auch die damals schlichten jedoch funktionalen "SW-Möbel", hier für Soziale Wohnkultur Wien stehend und die Produktion und den Verkauf von zwar billigen und einfachen, jedoch formschönen Möbeln für Kleinwohnungen zum Ziel hatte und die sich auch in der Wohnung der Großeltern des Autors fanden.

 

Wiener SW Möbel - Soziale Wohnkultur


Bild:
Neben der für Wiener vielfach traditionell obligatorischen Sozialwohnung, alias der "Gemeindewohnung", fanden sich auch die dazu passenden ebenso günstig per Kredit anschaffbaren Möbel dafür. Im Logo gut zu erkennen die damals feste Hand des ÖGB "österreichischen Gewerkschaftsbundes" in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien auch und gerade in solchen Fragen!

Bei aller "Bedürftigkeit", den damals billigsten EUMIG TV310 Fernseher um nur öS 3.990,- Schilling hat die Mehrheit der Käufer dann doch nicht gewählt und wollte was besseres sprich größeres!

Anekdote: Eine bsoffene Geschicht: Die Sache mit der Sicherheitsglasscheibe an der Front

Wenngleich es alle damaligen Fernsehgerätehersteller betraf, so kann ich es aus der Erzählung eines Zeitzeugen zumindest für die Wiener Firma MINERVA wiedergeben:

 

Alle Fernsehgeräte der 1950er Jahre bis beginnend der 1960er Jahre, hatten vor der Einführung der Bond Sealed Bildröhre* jeweils eine Sicherheitsglasscheibe davor eingebaut.

Dies für den Fall, dass die Bildröhre, sei es durch Materialfehler oder Erschütterungen zu bruch geht und dabei implodiert, was wegschleudernde Glassplitter gegen den Fernsehzuseher oder sonstig vor dem Gerät befindliche Personen mit einer entsprechender Gefahr bedeutet hätte.


Ein solcher Fall im besonderen Umfeld, ist in Zusammenhang mit einer neu entwickelten Spezial Bildröhre die wir Jahrzehnte später von den SONY Watchman Mini TV's her kennen, seinerzeit in den 1930er Jahren bei einer Fernsehgeräte Ausstellung vorgekommen. Dort war die Bildröhre kurz nach dem Besuch der damaligen NS Regierungsvertreter implodiert was sich sicher nicht allzu gut für den Erfinder machte.


Zurück zu MINERVA Wien. Im Rahmen meiner Lehrausbildung fragte ich einmal direkt den Ausbildungsleiter Herrn Ing. Bäumler wie denn das gelungen sei, dass die Scheibe wie auch Bildröhre innen nie Verschmutzungen wie Fasern etc. zum Zeitpunkt der Auslieferung hatte.

“Die wurden alle sorgsam mit Spiritus vor dem Zusammenbau gereinigt…. Am Abend waren die dann besoffen von den Dämpfen die sie den ganzen Tag inhalieren mussten, im Einzelfall vielleicht >durften<.....“, soweit die Anekdote zu diesem die ersten Jahre die Fernsehfertigungstechnik begleitenden Thematik.

Das Ganze darf man sich durchgeführt von Arbeitern vorstellen, die dem damaligen Arbeitsschutz entsprechend eine schwere Lederschürze vorne um  hatten, dazu Lederhandschuhe sowie auch damals schon eine Schirmkappe vor dem Gesicht. Inwieweit später Absaug- und Lüftungsanlagen hier eine Abhilfe schufen wäre ein parallel Thema für die fertigungstechnischen Abläufe früher Fernsehgerätefertigungen. 


*Bonded Shield Bildröhren, bei MINERVA erstmals eingesetzt ab 1960 bei dem Model Superb 23" mit der amerikanischen Importbildröhre Type 23SP4, vorgestellt im April 1959 in New York [6] von SYLVANIA erlaubte das Weglassen der bisher designgebenden Sicherheitsglasscheibe mit der systembedingt jeweils etwas hinten steckenden Bildröhre und damit größeren Gerätetiefe! Von nun an waren gar Gerätetiefen von nur 30 cm möglich.

Minerva Superb 23"   Minerva Superb 23"

Bild: Eine neue Ära des Fernsehgerätebaus ist bei MINERVA ab 1960, und auch bei anderen Herstellern mit der Bonded Shield Röhre, bei der die Sicherheitsglasscheibe gewissermaßen durch das aufkitten mit Epoxidharz bereits ein Bestandteil der Schirmoberfläche der Bildröhren wurde. Ebenfalls einfacher wurde die Art der Montage im Gehäuse durch die bereits angebrachten vier Befestigungslaschen.

Die Marktsituation heute:

Wie oben beschrieben, sind die verschiedenen MINERVA TV-Radio-Phono Kombis meiner Meinung nach überproportional am Sammler- wie auch Altwarenmarkt auch im Jahre 2022/24 noch vertreten.

Lediglich auf den einschlägigen Radioflohmärkten wie etwa in Breitenfurt bei Wien stellen sie eine eher selten gesehen Spezies dar, da kaum jemand seinen Transportplatz mit dem Herumführen solch sperriger Geräte blockieren möchte. Zudem je Fahrt die Geräte schon optisch kaum besser werden.


Alleine als reine Momentaufnahme am 16. Juli 2022 standen auf dem "Willhaben" Verkaufsportal gleich sechs MINERVA Kombischränke in unterschiedlichem Zustand wie auch Preisen von € 160,- bis € 930,- zum Verkauf.

In dieser Menge finden sich in der Regel die genannten Vergleichsmodelle anderer Hersteller eher nicht mehr, und tauchen wenn, dann nur noch vereinzelt einmal auf.

Was auffällt, das sind zum Teil Geräte mit sehr starken Abnutzungs-, eher muß man sagen Lagerspuren, da sie wohl schon die letzten Jahrzehnte nur mehr von einer Ecke in die andere geschoben wurden. Gegenstände die unsachgemäß darauf gelagert wurden oder gar Brandschäden(!) verursacht haben.

Im Einzelfall der Bildröhrentubus hinten fehlte und gleich der ganze Bildröhrenhals mit abgeschlagen wurde.
Fast immer sind die Knöpfe (generell MINERVA TV typisch) entweder fehlend, zerbrochen oder durch andere oft falsche Farben oder Modelle ersetzt worden.
Besonders kritisch ist dies beim mehrfach erwähnten Knebelschalterknopf beim 569er da dieser den hohen Schaltdrehmomenten standhalten müsste was er bauartbedingt aber nicht immer wenn die Lager verharzt sind noch kann.

Fazit:


Eine thematische Auseinandersetzung über diese Geräteklasse führte mit einem Wiener Sammlerkollegen zur Feststellung, wonach am ehesten eben dieser leicht verspielte/verschnörkelte "Barockstil" als schmales Standgerät das auch in kleineren Lagerräumen oder Wohnungen seine Jahrzehnte überleben konnte der Grund für die noch starke Präsenz sein mag.


Vergleichbare Geräte im "modernen" Design waren da mitunter schon ab den 1980er Jahren weniger Sammelnswert und wurden daher als ausgedientes Alltagsgegenstand/Möbelstück mitunter frühzeitiger entsorgt.

Mit "weinendem" Auge erinnert sich der Autor an eine vom Kunden damals zurückgenommene Grundig Radio-Phono Kombination mit Feder-Halleinrichtung der dieses Schicksal ereilte und heute alleine deren Röhren Gegentakt Stereo-Endstufen Mondpreise erzielen.

Für den Oktober 1960 führt MINERVA aus, wonach bereits über 50.000 MINERVA Fernsehgeräte in Österreich in Betrieb seien. Dies bei 160.000 (angemeldeten) Fernsehteilnehmern bei 8 Herstellermarken im Land [6] was über 30% Marktanteil bedeuten würde. Leider haben wir keine Stückzahlenauflistung zu den einzelnen Modellen.

 

Schreiben Sie mir wenn Sie selbst Erfahrungen mit einer dieser Geräteklassen hatten.


Lesetipps zum Thema:

 

  1. (Un-)Erfüllte Erwartungen an den Alltagsbetrieb eines TV-Radio-Phono Klassikers aus den 1950er Jahren am Beispiel des MINERVA Gloriette 590<
  2. Wie das Fernsehen nach Österreich kam

 

   

Quellen (Auszug), gesichtete Literatur & Links: 

  1. Digitalarchiv Scheida
  2. Geräteindex bei Radiomuseum.org
  3. Radioschau H.12, Dezember 1957, S.447, (Zur Geschichte des Rundfunks in Österreich: Programm für die Nation) Wolfgang Pensold
  4. MINERVA . at Website von Fritz Czapek
  5. Österreichischer Radiobote Artikel zum Thema MINERVA
  6. MINERVA Technische Mitteilungen, Oktober 1960; S.9

 

 

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Updated: 28.04.24