Television & Radiodays

 

Das ideelle Vermächtnis des Sammlers – Wie retten wir Zeitzeugenwissen das sonst verloren geht?

 

Einleitung:

In Deutschland stirbt jährlich ein Prozent der Bevölkerung. Mit zumeist geringfügigen Auf- oder Abschlägen kann diese Zahl auch auf den EU Raum übertragen werden.

 

Der Segen, im Europäischen Raum nach 1945 weitgehend stabile Lebensverhältnisse vorgefunden zu haben ermöglichte zudem gut zwei Generationen die Beschäftigung mit Themen die über den Selbsterhalt und der Versorgung mit dem Lebensnotwendigen hinausgehen (bis Anfang 2022). 

 

Daher ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Tod, dieses oft unangenehme Thema wenn auch verzögert auf lokale Vereine und auf dem Internet basierenden Organisationen durchschlägt und nach seiner Auseinandersetzung verlangt.

 

Wie einschlägige Inserate in bekannten Auktions- und Angebotsplattformen zeigen, geht ein Teil der bereits im hohen Alter lebenden Sammler oft dazu ihren Nachlaß noch zu Lebzeiten ordnungsgemäß regeln zu wollen.

 

Dort wo dies aus welchen Gründen auch immer nicht mehr zeitgerecht erfolgen konnte sind, wie Herr Erb schon in seinem Buch Radios von Gestern und Nachfolgethreads ausführt die Erben oder Nachlaßverwalter aufgefordert etwas, im besten Fall das Richtige zu tun.

 

Bisher lag der Schwerpunkt der thematischen Auseinandersetzung vordergründig bei der Regelung über die gesammelte Gerätschaft, die von Wald & Wiesensammlungen bis hin zu hoch spezialisierten Sammlungen, in unserem Fall Radio- und Fernsehgerätschaften gereichen.

 

Was nach meiner Ansicht jedoch bisher kaum thematisiert wurde, das ist das ideelle Vermächtnis eines Menschen in Form von Wissen, emotionaler Erfahrung und Know-how dass der Eine oder Andere in seinem Fachgebiet angesammelt hat und das in vielen Fällen bereits für immer verloren ging, in einer großen Zahl aber zumindest akustisch noch dokumentiert werden könnte.

Und dabei beziehe ich mich nicht einmal nur auf das Thema „Radio“, sondern stelle das Wissen um das Werden von so etwas naheliegendem wie eines Familienverbands in den Vordergrund.

 

Was spricht gegen das Bemühen persönliches Wissen und Informationen für spätere Generationen festzuhalten?:

 

Dies können einmal emotionale & persönliche Gründe sein:

 

Dazu gehören auszugsweise:

 

1.     Mit dem Thema Tod an sich wird in unserem Kulturkreis zumeist sehr reserviert umgegangen. Einerseits verständlich das man sich dem unvermeidlichen so lange wie möglich entziehen möchte und einer Verdrängungsmentalität den Vorrang gibt.  

2.     Vereinzelt mögen Personen beschlossen haben bewusst ihr Wissen nicht mit anderen Teilen zu wollen und verunmöglichen einen zukünftigen Zugang damit.

3.     Dort wo es thematisiert wird sind zeitgleich oft unerwünschte wirtschaftliche Interessen und damit zwischenmenschliche Spannungen im Mittelpunkt, die dem Ziel des Bewahrens von Wissen oft zuwiderlaufen können.

4.     Nicht jede Familienbeziehung kann harmonisch bezeichnet werden. Ebenso war und ist nicht jede Sammlung oder thematische Beschäftigung von einer Intensität geprägt die über das haptische Anhäufen von Sammelgut hinausgehen.

5.     Das eigene Wissen oder die daraus gewonnene Erkenntnis wird als nicht genug bedeutungsvoll für andere eingeschätzt und deshalb von der Trägerperson als unwichtig eingestuft.

6.     Das Wissen bezieht sich womöglich auf den damals erlebten Alltag, der wie der Name sagt eben Alltäglich und damit nichts Besonderes ist. Gerade aber das Umfeld der Alltäglichkeit, verknüpft mit den jeweiligen Fachthemen geben diesen Erinnerungen einen Wert der oft nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

 


 

Es gibt auch sachbezogene Gründe:

 

  1. Die Person tut sich mit dem Schreiben – ob in Papier oder mit EDV Unterstützung schwer und unterlässt daher Anstrengungen in dieser Sache.
  2. Die Möglichkeit das Wissen auf ein Speichermedium akustisch zu übertragen kann an der Komplexität der Technik scheitern, aber auch dem Misstrauen ob sich das dann tatsächlich jemals wer anhören will. (letzteres dann ein emotioneller Grund)
  3. Damit – und dies gilt für Schriftgut wie Audio- & Videodokumente gleichermaßen, ist die Frage zu stellen: Wohin damit? – Wem interessiert denn das noch? (letzteres dann wieder ein emotioneller Grund)

 

  1. Lediglich bei der „Hardware“, also bei Sachgütern wie dem fiktiven Radiogerät, der Oldtimer und Uhrensammlung funktioniert die Transformierung vom ideell belasteten Sammlergegenstand zurück in die kommerzielle Wiedereinordnung hinein in die Gebrauchs- oder Sammlerhand. Der Umgang mit dieser Hardware ist aufgrund einer wirtschaftlichen Zuordenbarkeit, Typisierung und des für weite Teile der Bevölkerung zwischenzeitlich zum Begriff gewordenen „Ebay-it“ als Zielort erster Wahl der Vermarktungsmöglichkeit geworden.

 

  1. Bei ideellen Werten wie es gesammeltes oder noch „schlimmer“ ungeordnetes Wissen darstellt sind wir mangels einer kommerziellen Plattform hierfür leider nicht in der Lage mit dem Nachlaß etwas anzufangen.
  2. Und damit degradieren wir uns indirekt selbst zu einer rein kommerziell-kapitalistischen Werteorientierung die über den Kauf- respektive einem Ersteigerungspreis hinaus kein Wertgefühl mehr für etwas hat.
  3. Wiewohl es keineswegs Absicht ist, hier „linke Propaganda“ zu betreiben, aber der Liedtextauszug eines Namensvetters wonach „nicht alles was einen Wert hat auch einen Preis haben muß“ darf unser Denken in diese Richtung fordern. 

 


Die gelebte Praxis:

  

Der Autor selbst musste die Erfahrung machen, daß in seinen „Jugendjahren“ die Erzählungen von Verwandten oder Bekannten oft zu unbedeutend im Vergleich zu den tagesaktuellen Themen waren und in der Folge, warum auch, keine Aufzeichnungen gemacht wurden.

Mehr noch in der Zeit der beruflichen Vollauslastung war kaum an die Beschäftigung mit geschichtlichen „Altlasten“ zu denken.

Weiters sind Personen, welche das für die irdische Verabschiedung zu erwartende Alter noch nicht erreicht hatten dann bedauerlicherweise doch bereits frühzeitig aus Krankheits- oder Unfallgründen von uns gegangen.

 

Was tun mit dem „alten Zeugs“, das für nichtfachkundige oft schwer einordenbar ist und genau dann das Thema wird wenn beim fiktiven letzten großen Familientreffen draußen der Sperrmüllcontainer steht und JETZT – in Worten: JETZT in diesem Augenblick eine Alternativadresse auch am Wochenende dringend, noch dazu auch erreichbar von jemanden der sich darüber zumindest Gedanken macht benötigt wird!

 

Darin implementiert die Frage was tun mit vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen, Tonbändern und Kassetten? Neuerdings auch digitalen Daten auf Computern, Smartphones oder Ipads etc. sowie Cloud-Speichern.

 

So geschehen dieses Monat, wo ich zufällig, oder auch nicht?, der Entsorgung von hunderten von Videobändern mit Sendungsmitschnitten gewissermaßen tatenlos zusehen musste….  Zu handeln gewesen wäre wenn dann sofort und gleich,

Wer hätte prüfen können ob es sich um aufbewahrungswerte Inhalte handelte?

Wo hätte man die LKW Ladung hinführen sollen? usw., so nahm das vielzitierte Schicksal seinen Lauf. Und dabei ist dieser Aufsatz vordergründig auf dem kaum Platz benötigenden Bewahren von digitalen Schrift- und Toninformation abzielend.

 


Beispiele für einen Lösungsansatz:

 

 

 

 

 

Was spricht also dagegen, eine allgemein zugängliche Anlaufstelle für ideelles Wissen – in unserem Fall rund um das Thema „Radio“ anzubieten?

 


 

Was wäre hiezu erforderlich?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Anmerkung:

Es war und ist NICHT die Absicht des Autors die Pietät die das Thema abverlangt in irgendeiner Weise zu verletzen.

Es ist jedoch ein tieferes Bedürfnis der wahrgenommenen Sprachlosigkeit die dem Thema obliegt eine Stimme geben zu wollen.

 


Quellen & Literaturverzeichnis:

  1. www.GFsGF.org
  2. Der Radiobote http://www.minervaradio.com/AnkundigungSeite1.htm
  3. www.archive.org
  4. 40 Jahre Fernsehen vom Mond
  5. Mediathek
  6. Zukunft des Sammelns (Hardware)

 


Lesetipps:

  1. https://www.scheida.at/scheida/Zukunft_des_Sammelns.htm
  • © Wolfgang Scheida / Wien, 10/2010; Überarbeitet 10/2022

    Erschien auch als verkürzter Parallelbeitrag auf Radiomuseum.org

     zu www.scheida.at/scheida/televisionen.htm gehärend

    Letzte Überarbeitung: 29.10.22