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Zur Ausstellung „100 Jahre Radio in Österreich“ im TMW – Technischen Museum Wien – eine Rezension

Die diesjährige >Lange Nacht der Museen< führte mich am 5. Oktober 2024 zur groß angekündigten Sonderausstellung „100 Jahre Radio in Österreich“ ins Technische Museum Wien.

Ein Ereignis dem in jedem Fall insbesondere als Freund und Kenner der Radiotechnik zu würdigen ist wie es auch wir als Redakteure in der Fachzeitschrift des österreichischen >Radiobote< mit aktuell verschiedenen Beitragsschwerpunkten auszugsweise tun.

Auf die Parallele der wenn auch platzmäßig zwangsweise in kleinerem Rahmen dargestellten Themenausstellung im „Elektronik Museum HTL Donaustadt“ ist hiermit ebenso kurz verwiesen.

Fragen zur Ausstellung:

  • Was soll und darf man sich als „gewöhnlicher Besucher“ von einer solchen Radio-Ausstellung erwarten.
  • Und was möchte man gewissermaßen als informierter „Fachbesucher“ zu sehen bekommen damit es sich gewissermaßen „lohnt“?

Um es vorweg zu nehmen: Ich denke beide Besuchergruppen wurden grundsätzlich sehr gut bedient! Wurde sie doch u.a. von unserem Sammlerfreund und Kenner der KAPSCH Radiogeschichte kompetent mit unterstützt.

Die Konzeption der Ausstellung „100 Jahre Radio“:

Unterteilt ist sie in einer weitgehend chronologischen Abfolge die die geschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen nachbildet.

Die Anfänge der 1920er Jahre

Die Empfangstechnik, unterteilt in ihre wesentlichen Kernepochen all der ersten Jahre mit den „Radiobastlern“ und deren in politischen Lager unterteilten Radioklubs zur Unterstützung wie der ARABÖ.

Die nostalgische Nachbildung des ersten Radiostudios im ehemaligen Kriegsministerium machte den Beginn greifbar.

Die Radiotechnischen Höchstleistungen in den 1930er Jahren

bis hin zu den österreichischen Spitzengeräten der Radiotechnik, damals noch in der Hochbauform wie etwa von MINERVA und der INGELEN Geografik der 1930er Jahre. Selbst auf die Vorstufe des Fernsehens, der experimentellen Standbildübertragung wurde eingegangen.

Das Radio als Propagandainstrument

Der Rundfunkgleichschaltung ab dem „Anschluß“ mit dem Deutschen Reich wurde nicht zuletzt mit dem sogenannten Volksempfänger bzw. dem Deutschen Kleinempfänger 1938 eindrucksvoll dargestellt.

Auch die starke Verstrickung bzw. die Mitwirkung der österreichischen Radioindustrie mit den neuen Machthabern aber auch den Opfern des Systems wie auszugsweise den Hörern verbotener ausländischer Sender wurde exemplarisch bedacht.

Selbst der kriegsbedingt eingeführte „Drahtfunk“ wie auch der „Kuckuck“ als Kennung für Luftangriffe fanden ihre Erwähnung.

Der Neubeginn nach 1945

Weiter ging es mit der vielfach konfusen unmittelbaren Nachkriegszeit nach 1945 wofür sehr eindrucksvoll der noch vorhandenen WESTINGHOUSE Sendereinrichtung des Kronstorf in Oberösterreich für den damals beliebten Sender „Rot-Weiß-Rot“ ein Statement abgab.

Zugleich war dies im Rahmen des Marshall Plans neben der Unterstützung der einst besiegten Länder auch ein Statement der Leistungsfähigkeit der amerikanischen Industrie die Schlüsselfertig eine solche Anlage „auf die Wiese“ stellen konnten.

Quelle: USIS - Senderanlage Rot-Weiss-Rot in Kronstorf ÖNB, Bildarchiv der US-Informationsdienste in Österreich Inventarnummer: US 9698/5
Die Rot-Weiß-Rot Antennenanlage in Kronstorf OO Anfang der 1950er Jahre. Im TMW stand natürlich „nur“ der Sender selbst. Bildquelle: ÖNB, Bildarchiv der US-Informationsdienste in Österreich Inventarnummer: US 9698/5

Dies zudem angesichts der Größe der Sendereinrichtung durchaus voluminös.

Daran gekoppelt war die Phase der Konsolidierung mit der wiederauferstandenen österreichischen Radioindustrie und deren Geräten.

Das MAIHAK Reportertonbandgerät der RAVAG

Ein für viele vielleicht unscheinbar präsentiertes Gerät, denn Tonbandgeräte waren ansonsten nicht ausgestellt, war das deutsche MAIHAK Reportagetonbandgerät „Reportofon“ der RAVAG 1953 bzw. des frühen ORF’s.

"Reporter war ... 10 Jahre Österreichischer Rundfunk 1945 - 1955" vom langjährigen RAVAG, nachmals ORF Reporter Hans Szuszkiewicz geschrieben wird in einem der Kapitel wunderschön das Arbeiten aber auch das leiden zudem bei Auslandsreportagen mit diesem Gerät kurzweilig erzählt.
Das MAIHAK Reportofon mit Kurbelantrieb das so manche Geschichte auch ohne Tonband erzählen kann

Angetrieben wurde es durch eine seitlich sichtbare Kurbelaufziehmechanik während die verstärkende Röhrenelektronik mittels Akkus betrieben wurde.

Im Buch „Reporter war …“ -10 Jahre Österreichischer Rundfunk 1945 – 1955 vom langjährigen RAVAG, nachmals ORF Reporter Hans Szuszkiewicz geschrieben wird in einem der Kapitel wunderschön das Arbeiten aber auch das leiden zudem bei Auslandsreportagen mit diesem Gerät kurzweilig erzählt.

Ein Buch was es zudem als Second Hand vielfach erhältlich noch gibt.

Rundfunk für ein freies Österreich bzw. was man darunter Verstand

Es folgte die Thematik zum für Österreich benachteiligenden Wellenplan und der darauf basierenden nötigen (vorgezogenen) Einführung des UKW Rundfunks 1953 der in Folge seine eigene Erfolgsgeschichte bis heute hat.

Mit dazu gehörte das spätere Rundfunkvolksbegehren für einen proporzfreien Rundfunk für das sich seinerzeit der mittlerweile verstorbene österreichische Ausnahmejournalist Hugo Portisch stark gemacht hatte.

Mehr Technik, mehr Komfort, als die Geräte laufen lernten:

Es folgten die Jahrzehnte der Radiotechnischen Entwicklungsschritte wie etwa STEREO im UKW Rundfunk bis hin zu all den transistorisierten Portables als Beispiel der damaligen Populärkultur und in Folge Kleingeräte meist kombiniert mit Abspiel- oder Aufnahmegeräten gewissermaßen weg vom Radio – hin zu einer eigenen Programmgestaltung.

Teilauszug der Ausstellung zur Vermittlung des Lebensgefühls der 1950er bis 1960er Jahre

Aber auch die Weiterentwicklung hin zum großen eindrucksvollen Wohnzimmermöbelstück dann schon in der Form als Multimediakonsole der damaligen Zeit.

Sender- und Studioausbau

Gepaart mit dem in Österreich nötigen komplexen Senderausbau und dem Nischenthema der damals beliebten „Weltempfänger“ als Ohr zur Welt ging es weiter.

Vielleicht ungewollt da wohl als Pluralismus und Regionalität dargestellt, werden die voluminösen Bauten des ORF, gestaltet vom Stararchitekten Gustav Peichl in allen Bundesländern, den sogenannten Landesstudios.

Das hier angesichts des Aufwandes und Umfanges vielleicht schon damals, von heute nicht zu reden übers eigentliche Ziel geschossen wurde?

Medienthematische Auseinandersetzungen:

Durchaus kritisch wurde die in den 1990er Jahren begonnene Auseinandersetzung des öffentlichen Rundfunks ORF mit den aufkommenden zuerst Piratensendern, später den ersten privaten Radiosendern wie auch die Rolle der eher kommerziell geführten Ö3 „Cashcow“ betrachtet.

Ob die reinen Abspielgeräte wie etwa CD Player, Minidisc Recorder und letztlich auch MP3 Player in diese Austellung zum Thema „Radio“ passten sei jedoch dahingestellt.

Alles wurde immer kleiner bis letztlich die Welt der Analogtechnik durch die Digitaltechnik ersetzt wurde.

Ausgeklungen wird in der Ausstellung mit einer Medienbühne wo zu wohl unterschiedlichen Themen mit Gästen moderiert und „Radio machend“ gearbeitet wird.

Ausstellungskritik:

Diese ist dann schon zugegebenermaßen auf sehr hohen Niveau zu suchen. Sprich nur für wenige verbleibende Details auszumachen.

  • So sehr gut auf die „Bastlerszene“ zu Beginn der 1920er Jahre eingegangen wurde, für die Nachkriegszeit mit ihren „Notradiogeräten“ und Selbstbaugeräten der 1940er Jahre fehlte dies.
  • Ebenso war die reichhaltige Handelsszene zum Thema Radioverkaufsgeschäfte die es damals massenhaft gab nicht repräsentiert.
  • Die Welt hinter dem Radio: Auch fehlte die Vermittlung der damals zwangsläufig nötigen Reparaturen und des zugehörigen Gewerbes wo zumindst das Thema Röhrentausch eine Erwähnung hätte finden können.

So blieb alles was mit „Technik“ im Speziellerem zu tun hat weitgehend außen vor.

Für ein Allgemeinpubikum könnte aber so die Irrittation entstehen dass diese Geräte damals alle ohnehin auch so wie heutzutage schon so dauerhaft und zuverlässig funktioniert haben was es eben nicht der Fall ist

Sollte ich es aufgrund des doch starken Publikumanstrums übersehen haben?:

Es fehlte Oskar Czeija in einer kleinen „Gedächtnisecke“ als langjähriger RAVAG Präsident.

Auch die turbulente Zeit, etwa ein Jahr vor der RAVAG Gründung blieb etwas unbeleuchtet. Zugegeben sie wäre sehr komplex für Besucher darzustellen.

Sehr wohl hätte man auf den positiven Teil des Pluralismus in Sachen Radio bis 1955 durch die Besatzungsmächte (neben Rot-Weiß-Rot auch Blue Danube Network sowie Sendergruppe Alpenland) , allen voran den Sendern der USA wie auch der Briten etwas mehr eingehen können der letztlich mit dem Staatsvertrag sein Ende fand.

Wenngleich es unzählige Gerätetypen aller österreichischen Hersteller gab und so zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden musste, eine EUMIG Eumigette W , ein noch heute mehr als häufig anzutreffende Radiotype schon mit UKW hätte ihren eigenen Platz verdient gehabt.

Dies haben unsere Kollegen der HTL Donaustadt mit deren Schnellreparatur im Rahmen einer dort durchgeführten Ö1 Reportage dankenswerterweise Montag Nachmittags darauf getan.

Die auch heute noch bekannte EUMIG Eumigette als klassischen zudem sehr kompakten Vertreters eines 2024 immer noch weitgehend praxistauglichen Röhrenradiogeräts mit UKW
Die auch heute noch bekannte EUMIG Eumigette als klassischen zudem sehr kompakten Vertreters eines 2024 immer noch weitgehend praxistauglichen Röhrenradiogeräts mit UKW

Zur Zukunft des Radios:

  • Etwas unreflektiert wurde auf DAB Plus, zudem als Rauschfrei und Energiesparend als der „natürliche“ Nachfolgestandard des terrestrischen Rundfunks eingegangen. Es ist hier nicht der passende Rahmen für eine thematische DAB Plus und damit letztlich einer UKW Abschaltung. Inwieweit der Sponsor „ORF“ hier mitgestaltet hat ist mir nicht bekannt.

Sonderthema: Inventarnummer 1938

Eine weitere Betrachtung im TMW u.a. eben auch zum Thema „Radio“ passend ist die sehr informative aber auch berührende Auseinandersetzung zum Thema Beutegut und Restutition ehemals jüdischen Eigentums aber auch anderer Verfolgter im Dritten Reich welches auf verschiedensten den damals gewaltsamen Abläufen geschuldeten Umständen auch ihren Weg ins Museum fanden.

Nicht das Wegsperren dieser Gegenstände, sondern eine simulierte Lagerraumöffnung für eine Provienzforschung gab einen ergreifenden Einblick in diese schwierige Thematik der sich das TMW schon seit längerem stellt.

Ein Blick ins „Lager mit der Inventarnummer 1938“ der uns einen beschlagnahmten PHILIPS 845 Radio zeigt der auf eine heute kaum mehr mögliche moralisch korrekte Eigentumsklärung wartet.

Die Komplexität im hier beispielhaft angeführten Fall zeigt uns zugleich das die Herkunft nicht zwangsläufig der Verfolgung jüdischer Menschen geschuldet, sondern u.U. auch denunzierte „Schwarzhörer“ ausländischer Stationen als Quelle für die Lager der GESTAPO dienen konnten.

Lesen Sie dazu auch die passende Kurzgeschichte von Radiolegende HOWDY Günther Schifter,

Erst 1979 kam dieses Gerät ins TMW. Damals aber hätte man solche Fragen noch nicht gestellt bzw. kaum ein ausgeprägtes Bewußtsein dafür gehabt. Der Betrachtungsblickpunkt der Erinnerung wie auch Deutung war noch zu sehr von der (noch vielfach lebenden) Täterseite ausgehend. Dies hat sich zwischenzeitlich geändert.

So finden sich als Hausrat eben auch nach den damals geltenden Gesetzen erfolgten Beschlagnahmungen von allen Radiogeräten auch Radiotechnisch basierende Medizintechnik und Meßmittel die einer Klärung, jedoch zumindest einer maximalen Transparenz hinsichlich ihrer Herkunft bedürfen.

Welchen Zugang im Detail die dafür eingesetzte Kommission hat ist mir nicht bekannt.

Dort wo es erhebliche wirtschaftliche Werte wie etwa für Kunstwerke wie Gemälde gibt die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte nur einen Weg nämlich nach oben im Preis fanden hat sich zwischenzeitlich ein Weg herausgebildet.

Bei Alltagsgegenständen die, wären sie nicht als Sammelgut aufbewahrt worden ihren Weg nach spätenstens vielleicht 10 bis 25 Jahren Jahren in den Müll oder der Entsorgung gefunden hätten.

Wie ist er wirtschaftlich zu bewerten? Mit dem Wert den er damals 1938 hatte und inflationsbedingt bis heute hochzurechnen ist?

Mehr aber wird mitunter ein ideeller Wert, die Erinnerung daran aber auch die gewaltsamen Begleitumstände des Verlustes im Sinne einer öffentlichen Dolkumentation und Erinnerungskultur sein.

Bestimmte Sammlungen und Zusammenstellungen wiederum mögen durch sich selbst gewissermaßen einen noch „lebenden“ Ausdruck des Verstorbenen darstellen können.

Wem gehörte damals welches Auto?

Als weiteres Nebenthema bot sich eine frei abfragbare Datenbank nach dem Fahrzeugstand aus 1937 in Österreich, wo nach Fahrzeugmarke, Type aber auch Besitzer gesucht werden kann.

Eine zufällig in unseren Sammlerkreisen kurz zuvor erörterte Thematik um auch dem Fuhrpark der österreichischen Radioindustrie auf die Spur zu kommen.

Es bleibt viel zu tun.

So auch die Vorbereitung zu 70 Jahren 1955 – 2025 Fernsehen in Österreich im August!

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Wien, 6. Oktober 2024, private Hobbywebsite zu www.scheida.at gehörend