Diese Zeilen sind einer netten, gütigen, herzensguten, für mich als Kind immer schon „alten Dame“ gewidmet, die in dieser Zeit bis zu ihrem Tod im 93 Lebensjahr alleine lebend stets eine Art liebe Tante für mich war.

Genannt wurde sie von mir stets Tante Tesar wobei das R immer unbetont blieb.
Sie dürfte verwitwet nach dem Tod ihres Mannes von Karl Tesar, bestattet am 26. Juni 1968 ebenso auf dem Wiener Zentralfriedhof gewesen sein. Folglich ich sie immer nur als alleinstehende Person kannte. Von eigenen Kindern erzählte sie nie etwas.
Bekannt über das familiäre Umfeld, wurde ich häufig an Nachmittagen zu ihr gebracht und durfte dort Fernsehen und bekam Naschereien.
Sie hatte ihre damals übliche Küche-Zimmer Kleinwohnung in einem Gründerzeithaus in einem der oberen Stockwerke ohne Lift sehr nahe am Allerheiligenplatz in 1200 Wien, wo die Fenster in Richtung der der hoch fahrenden Schnellbahnlinie gingen.

Das WC am Gang. Ob sie das Wasser schon in der Wohnung eingeleitet hatte entsinne ich mich nicht mehr.
Es waren jedoch ähnliche Verhältnisse wie wir sie als Familie von unserer Tante Franzi kannten. Und auch anderswo waren diese Küche-Zimmer Wohnungen weit verbreiteter Standard im Wien noch bis in die 1990er Jahre als nach und nach diese Substandard Kategorie D Wohnungen zumeist durch nachträgliche Badeinbauten und Zusammenlegungen aufgewertet wurden.
Auch meine Wohnung in diesem Bezirk war dann letztlich eine dieser Art, was ich aber selbst organisieren und bezahlen musste.
Eine Branchenkollegin?
Gearbeitet hatte sie vor ihrer Pensionierung als Löterin in einer Wiener Radiofabrik. Ich nehme an es müsste sich um INGELEN gehandelt haben.
Frauen gingen seinerzeit mit etwa 55 Jahren in Pension, somit müsste dies bei ihr Anfang der 1950er Jahre gewesen sein?
„Der Wolferl wird noch einmal Ingenieur“ waren manchmal ihre Worte in meine Richtung gemeint.
Das war wohl geprägt von den in weißen Arbeitsmantel zwischen den Montagebändern der Radiowerke herumhuschenden „Ingenieuren“ ihrer Zeit die zumeist ein entsprechendes Ansehen genossen.
Wenngleich ich es Ende der 1980er Jahre im Wiener GRUNDIG Fernsehwerk ebenso kurzzeitig beim „Schnuppern“ im Werk mitbekommen hatte war dies dann nicht mein späteres Arbeitsumfeld.
Von einer extra Firmenpension war die Rede mit der sie ein gutes Auslangen (bezogen auf die sonst bescheidenen Verhältnisse) hatte.
Zumindest hatte sie da später „zu meiner Zeit“ schon einen Farbfernsehapparat, Radio hatte sie gar keinen.
Als Kind machte es mir Freude in dem mit dunkelgrünen Leder ausgeschlagenen schweren Ohrendrehsessel „herumzufahren“. Die unzähligen Ziernägel mit denen er beschlagen war noch klar vor Augen.
Mit einer Zimmerantenne (Libelle genannt ) empfing sie ihr Fernsehen vom Sender Kahlenberg.
Sie hätte wegen der elektrischen Schnellbahn die „zwischen ihren Fenstern uns dem Sender fuhr“ so einen schlechten Empfang hieß es. Wenngleich ich als Kind mich natürlich nicht daran erinnern kann.
Televisionäre Prägung:
Anekdote zu meinem frühen Fernsehen: „Wolfgang, kannst du schon einen Einser zeichnen?“ Einmal die Woche durfte ich bei ihr den Kasperl und Pezzi im Fernsehen anschauen. Das Einschaltritual des Fernsehgeräts und das „Testbildschauen“ bis dann ich schätze gegen 17:00h das Kinderprogramm begonnen hat. Dazu noch das ORF Logo sowie die ORF Uhr vor der Ansagerin im Bild. ![]() Testbildschauen: Es gab zwei unterschiedliche, das „alte“ s/w Testbild auf dem Programm FS1 und das elektronische farbige PHILIPS PM5544 Testbild auf FS2. Es soll auch wechselweise so gesendet worden sein. Voller ungeduld ersuchte ich sie bisweilen umzuschalten ob nicht doch schon am anderen Programm der Kasperl läuft. Und dann lud sie mich eines Tages ein, ich möge ihr doch die Zahl Eins – also einen Einser zeichnen. In Folge dann auch einen Zweier. Während ich mit den Malstiften oder dem Bleistift den Einser noch mit viel Mühe und neutral interpretierbar hinbekam, so wunderte sie sich nach einiger Zeit warum das mit dem Zweier nichts so rechtes wird. Die Begründung war, ich zeichnete aus dem Gedächtnis den Einser und Zweier so wie ich ihn in drehender dreidimensionaler Darstellung als „Intro“ wie man heute sagen würde vor dem eigentlichen Programm am Bildschirm gesehen hatte. Dazu die Kennmelodie mit der stets etwas streng und sehr förmlich klingenden Ansage „Hier ist der österreichische Rundfunk mit seinem Fernsehprogramm“. Und während der Einser zwar klobig aber noch einfach ging so scheiterte ich an den geschwungenen Linien etc. des Zweiers. Es klärte sich dann alles auf. So aber ist man schon als Kind selbst ohne Fernseher vom Fernsehen geprägt worden. Hätten wir wie auch damals zumeist selbstverständlich selbst immer einen gehabt, womöglich hätte es meine Berufswahl sowie all diese Webseiten zum Thema nie gegeben. |
Die Situation änderte sich mit unserer Übersiedelung von der Stadt an den Stadtrand. Abgesehen, das ich schon älter geworden war, war ein zwischendurch Besuchen der „Tante“ schon verkehrstechnisch nicht mehr so möglich. Auch wäre man dann nicht mehr zum Fernsehen oder aufpassen zu ihr gefahren.
Großzügigkeit:
Als Kind wurde ich eben mit allerlei Süßigkeiten wie den kleinen Milka Schokoladen Täfelchen, Manner Schnitten und anderem sowie einem Kakaogetränk oft verwöhnt. Meine Zähne haben es mir in Summe „gedankt“.

Auch so steckte sie mir später den einen oder anderen Schilling, wenngleich auf bescheidenem Niveau fallweise als Taschengeld zu.
Oder einen besonders interessant aussehenden Drehbleistift ebenfalls noch von ihrem Mann stammend wie es hieß.
Der lag zusammen mit von „Astronauten“ erprobten Schreibuttensilien bereit.
Abschied:
Die letzte Begegnung war dann die Begleitung zum Begräbnis am Wiener Zentralfriedhof im November 1986 wo man mir noch einmal seitens der verbliebenen Verwandtschaft, es müsste ihr Bruder gewesen sein, versicherte sie hätte öfter von „Ihrem Wolferl“ gesprochen.

Bild: Das Grab der Bertha Tesar am Wiener Zentralfriedhof. Aufgenommen um 2010, in dem auch Karl Tesar 1969 beerdigt liegt.
Im März 1924 wurde Ernst Diwin, und im April 1925 Johann Diwin beigesetzt.
Ohne pietätslos zu sein, so muß man von einer effizienten Nutzung der Grabstelle sprechen.
Ebenso in dieser Grabstelle lag Rudolf Loibesberger. Beerdigt im Dezember 1936.
Der Zusammenhang dazu selbst ist unbekannt. Ich kann mich nicht an spätere Gespräche dazu erinnern, was aber auch nichts sagt da ich ja noch klein war.
Das Grab selbst wurde später wohl aufgelassen und ist zwischenzeitlich (2025) entfernt worden.
Und so führen mich Recherchen dazu gleich zweimal (!) in menschliche Tragödien. Geschichten die wohl nur das Leben schreiben kann und die man nicht erfindet.
Da gibt es zum einen gleich drei Zeitungsmeldungen vom 7. Dezember 1936, im >Neuen Wiener Tagblatt<, im >Der Tag< und >Der Montag< die über einen Selbstmord im Friseurmuseum zu berichten wussten.
Dieses war in der Mollardgasse 1, in Wien 6 im Zunftzimmer der Friseurgenossenschaft beheimatet wo sich der 59 jährige Hausbesorger L. mit Leuchtgas (damals das giftige Wiener Stadtgas) nach einem Streit das Leben nahm.

Kann man annehmen, dass die dahinter stehenden Geschehnisse einem Gesetz der Serie folgen? Womöglich ja.
So schreibt die >Salzburger Wacht< vom 2. Jänner 1934, also nur zwei Jahre zuvor, von einem tödlichen Leuchtgasunfall an selbiger Adresse, in der Mollardgasse 1 bei der die Bedienerin und ihr 9 jähriger Ziehsohn Erich Loibelsberger augenscheinlich in einem Verwandschaftsverhältnis zu Rudolf L. stehend tot aufgefunden wurden.

Selbst zugefügte Gasvergiftungen aber auch „nur“ Gasunfälle waren leider keine Seltenheit, weshalb später das Erdgas und Schutzeinrichtungen als ein Segen empfunden wurden. Während der Kriegszeit führten auch in unserem jedoch sehr entfernten Familienstamm solch ein Unfall zu einem Gastod. Siehe auch „Tante Franzi„.
Gewidmet in lieber Erinnerung an Tante Tesar von ihrem „Wolferl“ für die vielen netten Stunden.
Haben auch Sie Erinnerungen die Sie teilen möchten?
Wolfgang Scheida, Wien im Februar 2025