Fernsehen in Holland - in den Niederlanden

Ein Land geprägt von einer starken Elektronikindustrie

Zeitschiene:

1948 Breite Feldversuche mit einem 567 Zeilen Fernsehsystem (Philips)
1951

Sendungen im Band I gemäß CCIR 625 Norm B aus Lopik und Eindhoven [1].

   

Anekdoten: 

 

Die Niederlande - Der Philips 567 Zeilen Standard (1948)

 

Philips-Niederlande – Die 567 Zeilen Pragmatiker

Als bisher weitgehend unbekannter, jedoch interessanter Lösungsansatz hinsichtlich einer besseren Fernsehnorm erweist sich der auch praktisch vorgeführte Vorschlag des international tätigen Unternehmens Philips in Holland:

1948 war deren Ansatz, das amerikanische 6 MHz Kanalraster als Maß der Dinge zu nennen, was Angesichts der noch bevorstehenden Frequenzknappheit in Europa auch einen sehr sinnvollen Lösungsweg dargestellt hätte:

Die Rechnung lautet: Die rund 4,2 MHz mögliche Videobandbreite der 525/60 Norm innerhalb des 6 MHz Kanalrasters sind auf die 50 Halbbilder umzurechnen:  4,2 MHz bei 30 Vollbildern ergeben ~280.000 Bildelemente/Pixel pro Vollbild.

Bei rund 485 aktiven Zeilen und einem 4:3 Bildseitenverhältnis des amerikanischen Systems ergibt die Umrechnung eine vertikale brutto Zeilenzahl von 567 die sich aus der Einsparung der Übermittlung von 5 Vollbildern pro Sekunde im europäischen 50 Hz System ergibt. 

Dazu der Pressetext aus dem österreichischen Magazin „Funktechnik“ Heft 2 1948: 

http://www.scheida.at/scheida/TV_SEITE/philips_48_I.jpg

http://www.scheida.at/scheida/TV_SEITE/philips_48_II.jpg

Zwei Jahre später, im Sommer 1950 war auch dieses Thema bereits Geschichte, wobei nachvollziehbare Begründungen für die Ablehnung (bis jetzt) im verborgenen blieben.

Pressebericht vom 11.08.1950:  (Öst. Zeitschrift Praktiker)

"Fernsehbastlern in Holland wurde kürzlich bekannt gegeben, dass der holländische Fernsehsender für seine Versuchssendungen von 567 auf 625 Zeilen übergegangen ist. Ein solcher Wechsel der Zeilenzahl bedingt natürlich auch eine Änderung der etwa 400 in Betrieb stehenden Fernsehempfänger. Diese Anpassung an die neue Zeilenzahl bereitet keine großen Schwierigkeiten und kann in Holland fast durchwegs von den Besitzern der Geräte selbst durchgeführt werden, da es sich herausgestellt hat, dass 90 Prozent aller in Verwendung stehenden Geräte von Amateuren konstruiert und hergestellt wurden."

Für die gerätetechnische Vereinfachung der Empfänger wäre dieser Weg für Philips, einem weltweit agierenden Großkonzern sicher entgegenkommend gewesen. (weltweit baugleiche Tuner u. ZF Kreise etc.)   

Hier finden Sie eines der damals ca. 148 im Feldtest verwendeten Empfänger:

http://www.radiomuseum.org/r/philips_tx594utx_594.html

 

Wie es mit der Fernsehstandardnormierung weiterging
lesen sie in DIESEM Artikel

Auf mein ersuchen an Sammler und Fachkollegen erging die Frage:

  • Warum wurde dieses System gestrichen und konnte sich bei den CCIR-Diskussionen nicht durchsetzen?

 

Dies sind hier deren interessante Antworten:

 

Ein Leser schrieb:

Hallo Herr Scheida,

Warum genau der Vorschlag von Philips keine Berücksichtigung bei der CCIR gefunden hat kann man wohl vermuten, mir ist kein Dokument darüber bekannt, außer, dass die CCIR im Sommer 1951, sich auf keine Empfehlung, sondern nur - wohl auf Druck der Engländer - 4 Systeme "registriert" hat.


Das waren:
1. 405 Zeilen (engl.)
2. 525 Zeilen (us)
3. 625 Zeilen (Genfer Norm - Dänemark, Deutschland, Holland, Italien, Schweden und Schweiz)
4. 819 Zeilen (franz.)

Eine Empfehlung erging nicht zu einer Norm, (die damals erhoffte "Weltnorm") sondern es wurden "nur" Empfehlungen zu Kenngrößen gegeben:

Bildformat: 4:3
Zahl der Teilbilder: 2
Teilbildfrequenz: Unhabhängigkeit vom speisenden Netz (bis heute nicht erreicht)
Modulation des Bildsenders: Amplitudenmodulation
Hochfrequenzübertragung: Restseitenbandverfahren (Empfänger mit Nyquistflanke)
Begrenzung der Seitenbänder: Oberes oder unteres Seitenband (Träger ungeschwächt)

Lage der Trägerfrequenzen Bildträger 1,25 MHz
innerhalb des Kanals: Tonträger 0,25 MHz

Dämpfung der Seitenbänder: mind. 20 dB

Danach war die "Genfer Norm" der Philips Version aus verschiedenen Gründen überlegen.

Eine ausführliche Abhandlung zu diesem Thema findet sich in:

Buch: "Fernsehen"
Vorträge über neuere Probleme der Fernsehtechnik
herausgegeben von Dr.G Leithäuser und Dr.Ing. F Winkel
erschienen im Springer-Verlag 1953, Seite 25 ff. "Der Stand der internationalen Normung der Fernsehsendungen" Von Prof. Dr.Ing. F. Kirschstein

Warum die "Philips Norm" so einfach von der Bildfläche verschwand, wird dort nicht explizit gesagt, aber durch die sehr ausführlichen Gegenüberstellungen der
"4 registrierten Normen" kann man es nachvollziehen.

Bei Interesse bin ich gerne bereit Ihnen den Vortrag zu kopieren (scannen).
Gruß aus Kassel
Arno B.

 

Jan J. hat mir geschrieben: (Original Text siehe rechts in Englisch) Vielen Dank dafür!


"Hallo Wolfgang,

offizielle zuverlässige Informationen über den 567 Zeilen Standard sind etwas begrenzt.

Tatsache ist, dass Philips diesen Standard ernsthaft in Europa vorschlagen wollte. Aus theoretischer (und auch praktischer) Sicht schien er damals der ideale Standard zu sein. Er bot einen guten Kompromiss zwischen Bildqualität und Kosten. Er enthielt bereits FM-Ton, negative Bildmodulation, gute Synchronisationsimpulse, ein Seitenverhältnis von 4 zu 3 usw.

Und vor allem sah es so aus, als wäre es sofort technisch machbar, ohne übermäßige Produktkosten. Aber anfangs unternahm Philips nur sehr wenig, um ihn außerhalb der Niederlande umfassend zu bewerben (wir sprechen von 1947 und Anfang 1948).

In der Zwischenzeit schlugen die meisten europäischen Länder mehr oder weniger einen 625 Zeilen Standard vor.

 Das Vereinigte Königreich hatte kaum eine andere Wahl, als den 405-Linien-Standard für einige Zeit beizubehalten, weshalb es sich nicht wirklich aktiv an den Diskussionen beteiligte. (Frankreich hat aus eigenen Gründen immer eine eindeutige Wahl bevorzugt.)

Als Philips sich schließlich mehr bemühte, für den 567 Zeilen Standard zu werben und ihn zu fördern, hatten sich die anderen Länder inoffiziell auf 625 Zeilen geeinigt. Für den CCIR-Ausschuss versuchte Philips also, den 567er-Standard zu verwenden, musste aber sehr bald feststellen, dass andere Länder den 625er-Standard übernehmen würden.

Dies würde einen sehr begrenzten Absatzmarkt für Philips bedeuten (NL und möglicherweise den niederländischsprachigen Teil von Belgien).

Philips erkannte die Folgen der isolierten Verwendung von 567 Zeilen und der damit verbundenen Unmöglichkeit, Fernsehgeräte und -teile zu exportieren (wer kauft schon von einem Bäcker, der sein eigenes (625-Zeilen-)Brot nicht isst?) und stellte rasch auf 625 Zeilen um (1950).

Und das war das vorzeitige Ende der 567 Zeilen. In den Niederlanden gab es noch keine Massenproduktion oder regelmäßige Fernsehübertragungen (abgesehen von den Eindhovener Versuchsübertragungen mit 567 Zeilen), so dass es kein Kompatibilitätsproblem gab. In der Zwischenzeit arbeitete Philips hart an der Entwicklung seiner ersten Seriengeräte (625 Zeilen): dem TX400U (22 cm Bildröhre) und dem TX500U (identisches Gehäuse, aber 31 cm Bildröhre).

Zum Start des "offiziellen" Fernsehdienstes, der mit Philips-Geräten und Philips-Personal aus dem Zentrum der Niederlande ausgestrahlt wurde, waren nur einige Hundert TX400U verfügbar.

Der Tag der Eröffnung war der 2. Oktober 1951.

Die TX400/500-Geräte unterschieden sich völlig von den Versuchsgeräten mit 567 Zeilen. Spezielle Fernsehröhren waren in der Zwischenzeit entwickelt worden und alle Transformatoren (einschließlich der Hochspannungserzeugung-/Horizontalausgangs) waren ebenfalls anders. Von den 567-Zeilen-Geräten (die schon von sich aus in der Stückzahl begrenzt waren) wurden wahrscheinlich nur wenige an den "neuen" Standard angepasst. Der komplette VHF-Teil dürfte etwas anders sein (größere Bandbreite), ebenso wie die Zeilenendstufe. Diese 567 Zeilen Geräte wurden ausschließlich von Philips und Philips-Ingenieuren für alle möglichen Tests verwendet.

 Einige von ihnen wurden mit nach Hause genommen und nach der Erstellung von Empfangsberichten für weitere Tests und Modifikationen wieder in die Labors zurückgebracht. Auf 567 Zeilen wurden nur experimentelle Sendungen ausgestrahlt. Die Zahl der verschiedenen Fernsehgeräte für diesen Standard ist folglich auch begrenzt.

 Philips selbst hat zwei verschiedene Geräte hergestellt:

* Projektionsfernseher (6 cm Projektionsröhre) mit Radio. Dieses Gerät wurde sowohl für Tests als auch für Werbezwecke verwendet. Man sieht überall das gleiche Bild (405-Zeilen-Version).

Es soll sowohl eine 567- als auch eine 405- und eine 441/445-Zeilen-Version gegeben haben. Das Seitenverhältnis der 405er Version wäre natürlich ein anderes (damals noch 4 zu 5), aber ansonsten war das äußere Erscheinungsbild aller Versionen identisch.

Der 405-Zeilen-Empfänger hatte ein völlig anderes Sichtgehäuse als die 567-Zeilen-Version.

* 22 cm Direktsicht, Einkanal (keine Abstimmung), Tischmodell Um das Fernsehen populär zu machen und der (technischen) Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Fernsehen vertraut zu machen, wurde 1949 eine Broschüre von J. Jager (Philips) herausgegeben ("Een experimentele televisieontvanger").

In dieser Broschüre wurde ein Fernsehgerät beschrieben, das aus einfachen Teilen gebaut werden konnte. Fast alle Teile konnten bei Philips-Händlern gekauft werden, und der Entwurf verwendete fertige Transformatoren von Philips. Die Broschüre enthielt einen Vorschlag für das Chassis und den Bau des Fernsehers. Es sind nicht viele gebaut worden, aber es ist eine interessante Lektüre.

Die meisten Amateure, die tatsächlich einen funktionierenden Fernseher bauten, verwendeten Oszilloskop-Röhren und machten ihre eigenen Entwürfe.

Sie ließen sich dabei von Veröffentlichungen in verschiedenen Zeitschriften leiten.  

Ich bin mir sicher, dass ich irgendwo einen Artikel (in einer Zeitschrift?) habe, in dem die Situation im Zusammenhang mit der schnellen Umstellung von der 567- auf die 625-Zeilen-Norm (auf Druck anderer Länder) kurz erläutert wird. Ich werde sehen, ob ich ihn finden kann und dann einen Scan für Sie anfertigen. Ich hoffe, dass das oben Gesagte ein wenig hilft und etwas Licht in die obskuren 567 Zeilen Periode bringt."  

Viele Grüße aus Eindhoven, Jac J.

Jan J. wrotes me: (Thanks Jan!)

Hello Wolfgang,
 
Official reliable information on the 567-line standard is somewhat limited.
Fact is that Philips wanted to propose this standard seriously within Europe.
From a theoretical (and also practical) point of view, it looked like the ideal standard at the time. It gave a good compromise between picture quality and costs. It already contained FM sound, negative vision modulation, good sync pulses, 3x4 aspect ratio, etc. And most of all: it looked immediately technically feasible without excessive product costs.
But in the beginning Philips did very little to promote it extensively outside NL (we speak of 1947 and early 1948).
In the meantime most countries in Europe more or less proposed a 625 line standard. The UK had little choice than to keep the 405 line standard for some time to come, so they did not really participate actively in the discussions. (France has always preferred a unique choice for their own purposes and reasons.)
When eventually there was some more effort from Philips to advertise and promote the 567 line standard, the other countries unofficially had agreed upon 625 lines.
So for the CCIR committee Philips tried to use the 567 standard, but very soon saw that other countries would adapt 625 lines.
This would mean a very restricted sales market for Philips (NL and possibly the Dutch speaking part of B). Realising the consequences of using 567 lines in isolation and thus not be able to export television equipment and parts (who would buy from a baker who does not eat his own (625-line) bread?), Philips rapidly changed over to 625 lines (1950). And that was, prematurely, the end of 567 lines.
No mass production or regular tv transmissions (apart from the Eindhoven experimental transmissions in 567 lines) had yet started in NL, so there was no compatiblity problem.
In the mean time Philips was working hard on the engineering of their first mass produced (625 line) sets: the TX400U (22 cm CRT) and TX500U (identical chassis, but 31 cm CRT). Only a few hundred (TX400Us) were ready at the start of the "official" tv service, broadcasted with Philips equipment and Philips personnel from the centre of NL. The day of the opening was 2 Oct 1951.
The TX400/500 sets were completely different from the 567 line experimental ones. Special TV-valves had been developed in the mean time and all transformers (including the EHT/horizontal output) were also different.
Of the 567-line sets (already limited in numbers by it self) probably only a few have been adapted to the "new" standard. The complete VHF-part should be a bit different (wider bandwidth) as well as the line output stage. These 567 line sets have been exclusively used by Philips and Philips engineers for all kind of tests. Some of them were taken home and, after making reception reports, were again taken back to the labs for further tests and modifications.
 
Only experimental broadcasts have taken place in 567 lines.
The number of different tv sets for this standard consequently is also limited.
Philips themselves have made 2 different sets:
* projection TV (6 cm projection tube) with radio. This was used for tests as well as promotional purposes. You see the same picture(s) everywhere (405 line version). There is supposed to have been a 567 as well as a 405 and a 441/445 line version. The aspect ratio of the 405 line version would of course be different (still 4x5 at that time), but otherwise the external appearance of all versions was identical.
The 405 line receiver had a completely different vision chassis than the 567 line version.
* 22 cm direct vision, single channel (no tuning), table model
 
In order to give tv some popularity and allow the (engineering) public to become acquainted with television, a (Philips) booklet was issued by J. Jager in 1949 ("Een experimentele televisieontvanger"). This booklet described a tv set which could be built from basic parts. Almost all parts could be bought from Philips dealers and the design used ready made transformers from Philips. The booklet gave a proposal for the chassis and building of the tv.
Not many have been built, but it makes interesting reading material. Most amateurs who actually built a working tv set chose to use oscilloscope CRTs and make their own designs. Guided by publications in various magazines.
 
I am certain I have a (magazine?) article somewhere, explaining briefly the situation concerning the rapid changover from the 567 to the 625 line standard (under pressure from other countries). I'll see if I can find it and then make a scan for you. 
 
I hope the above helps a bit and sheds some light over the obscure 567 line period.
 
Best regards from Eindhoven,
Jac J.

 

Quellen (auszugsweise):

  1. Zeitschrift: D - Funktechnik, Mai 10/1951

  2. A - Radio Österreich Heft 31, 26. Juli 1958, S.2

  3. 1. September Ausgabe 24-25/1958, S.561

  4. Wohl die umfangreichste Website zu ALLEN Philips Tunern und ersten TV Geräten (Englisch) von maximus randd; Abgerufen am 13.4.2022

 

Lesetip: Eine Gerätebeschreibung und noch viel mehr:

 

© 12/ 2006  - by W. Scheida zu http://www.scheida.at/scheida/televisionen.htm gehörend

Updated: 14.04.22