Bild: Blattsammlung von VIBUR Werbeblättern wie ich sie 2023 erhalten habe
Der lokale Radioflohmarkt in Breitenfurt bei Wien brachte mir im September 2023 nicht nur ein interessantes Gerät in Form eines PHILIPS D2999 Weltempfängers ein der bereits seinen eigenen Beitrag bekommen wird.
Am meisten erstaunt mich aber, das es immer noch weiße Flecken zu einstigen österreichischen Radioherstellern der 1920er vielleicht 1930er Jahre gibt.
Doch der Reihe nach:
Unser Oberösterreichischer Sammlerkollege, Herr Prof. Pichler, hat immer schon Kleinode der frühen Zeit der Elektrizität aber auch der Funktechnik auf seinen Flohmarktständen feilgeboten.
Ein loses Konvolut an Schriftgut ließ mich dann ebendort eine Sichtung nach "Besonderem" starten und bald wurde ich mit einem Werbesprospekt der 1930er Jahre für Elektrotechnik, einem Werbeheftchen zur UKW Einführung und insbesonders einem Werbeblatt für einen "Arlington" Aufsteckdedektor sowie einer Blattsammlung an Werbeprospekten für eine "Vibor" Geräteserie mit je Blatt einem eigens aufgeklebten Foto des jeweiligen Geräts fündig.
Bild: Konvolut an Technik- und Radioliteratur vom Flohmarkt
Ein fairer Preis ließ den Besitzer wechseln.
Nachstehende Betrachtung der Firmenherkunft sind vorerst nur laut gedachte Mutmaßungen.
Inwieweit Zusammenhänge tatsächlich existierten wird Bestandteil zukünftiger Recherchen und weiterer Nachforschungen sowie weiterer Zufallsfunde sein.
Soweit es aber aktuell mir zugängliche Quellen erlauben möchte ich soweit wie möglich dem Umfeld des Herstellers bzw. seines Vertriebs auf den Grund gehen.
Das Werbeblatt für den "Arlington" Halbfixen Universaldetektor.
Laut vollmundigem Text sei dieser so gut, das er auch bei der als bald angekündigten Inbetriebnahme des Wiener Rundfunkgroßsenders (Bisamberg) gar keine Röhrengeräte mehr notwendig machen würde.
Die Rede müsste folglich von der Zeit kurz vor dem 28. Mai 1933 sein, dem Datum als der Sender in Betrieb ging. Also geschätzt 1932 bis Anfang 1933.
Soweit die Theorie. Das Fachgebiet der Detektoren sowie die Auseinandersetzung in der Praxis zu Qualität und Gebrauchstauglichkeit hat unser Sammlerfreund Erwin Macho bereits in seiner regelmäßigen Artikelserie im "Radiobote" ausgeführt.
Gut möglich, das er über den ihm bereits bekannten "Arlington" Detektor uns ebenso einmal etwas schreiben wird.
Was für mich hier von Interesse ist, das ist ein blauer Stempel zu einem augenscheinlichen Vertriebspartner dieses Radiobauteils der mir bisher noch nicht zu Gesicht kam:
"BERNHARD VIG,
Wien, VI,
Gumpendorferstraße 63g II. Stock 17/18"
Mag es ein Zufall sein, das ein früherer Sammler oder einstiger Kaufinteressent einfach alle seine Unterlagen abgestempelt hat?
Für nicht Kenner Wiens: Die Gumpendorferstraße in Wien 6 liegt unweit parallel zur Mariahilferstraße, die wiederum DER Umschlagplatz eben auch für unzählige Radiohändler und in deren Seitengassen Standort der frühen Wiener Radioindustrie war.
Ein Domizil im 2. Stock wiederum, Erdgeschoß und Mezzanin eingerechnet würde das 4. Geschoß bedeuten. Etwas unattraktiv für ein Verkaufsgeschäft welches auf Laufkundschaft angewiesen ist aber denkbar für einen Bürobetrieb. Laut Google Maps existiert 2023 das Eckhaus sogar noch.
Der Familienname >VIG< kommt in unseren Breiten nicht allzu oft vor. Nebst Serbien und Dänemark bezogen auf die Verbreitung in Europa, findet sich voran Ungarn als Ort im Namensverzeichnis [2] angegeben.
Da Österreich-Ungarn bekannterweise bis 1919, also noch bis kurz vor Beginn des Radiozeitalters in der Monarchie zusammengehörte mag diesbezüglich ein möglicher Anknüpfungspunkt vorliegen.
Das Wiener Adressbuch "Lehmann" weist >Bernhard VIG< als Kaufmann, jedoch an der Adresse Apostelgasse 36, Wien III von 1934 bis 1938 aus.
Nicht unbedeutend dazu ist der Fakt, wonach SIEMENS Austria an der nahen Adresse Apostelgasse 12 ab 1929 Rundfunkempfänger unter dem Namen Telefunken fertigte.
1942 findet sich kein Eintrag mehr zu Bernhard VIG.
Im "Findbuch" das zu allen Opfern des Nationalsozialismus Recherchen erlaubt findet sich ein "Bernhard VIG" geb. 1871 als davon Betroffener [3].
Natürlich kann es reiner Zufall sein, das VIG und VIBUR mit gleichen Buchstaben beginnen. Auch, dass diese Werbeblätter eng zusammen in einem großen Stapel diverser Radiotechnischer Literatur, vermutlich schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte gelagert waren.
Was aber auffällt, ist neben der zeitlichen Nähe der Produkte, der Hinweis, wonach diese gegen >S< also österreichische Schilling, jedoch ohne angeführten Geldbetrag ab "Büro" abgegeben werden.
Also nicht ab einem Geschäft, einem Lager oder Kontor wie sonst üblich.
An diesem Punkt endet die Mutmaßung zu möglichen Zusammenhängen.
Fünf in der Aufmachung jeweils ähnlich wirkende Werbeblätter im etwas größerem als dem A4 Format, mit jeweils einem aufgeklebten s/w Foto dass das gebotene Gerät visuell darstellt.
Der Text selbt ist Maschinengeschrieben. Sie könnte auch als Druckvorlage gedient haben, da man sich ein damals teures Foto wohl kaum auf jedem Prospektblatt auch nicht für Wiederverkäufer geleistet haben wird.
Im Text ist von einem Absatzerfolg die Rede, was eben wiederum auf Wiederverkäufer als Adressaten dieser Werbeblätter hinweist.
Bild | Type | Prinzip | Besonderheit | |
Vibur D.V. | Detektorapparat | Variometerabstimmung | ||
Vibur D.S. | Detektorapparat | Spulenapparat | ||
Vibur N.F.1 | NF Verstärker | mit Kremenetzky* Röhre A10 oder A16 | ||
Vibur AR1 | Audion Rückkoppler, | mit Kremenetzky Röhre A11; Honigwabenspule innen | ||
Vibur A.R.S.1 | Audion Rückkoppler, | mit Kremenetzky Röhre A11; Spulenschwenker außen |
Anmerkung: Richtig heißt es "Kremenezky" ohne "t". Im Werbeblatt ist es falsch geschrieben!
Einmal der oben angeführte Geldbetrag der in >S< also Schilling, der damaligen österreichischen Währung zu entrichten ist.
In den Blättern zu den drei Röhrengeräten von "Vibur" werden Röhren von Kremenezky, einem lokalen Wiener Röhrenhersteller alleinig angeführt.
Wer wiederum der tatsächliche Hersteller dieser Geräte, und wo der konkrete Ort seiner Fertigung und des Vertriebs war bleibt noch im Dunkeln.
Der Import als eine gesamte Gerätefamilie aus Deutschland oder dem sonstigen Europa ist zwar nicht gänzlich auszuschließen aber eher unwahrscheinlich.
Damit reiht sich diese Marke vorläufig dort ein wo wir auch schon andere kaum bekannte Österreichische Radiohersteller der frühen Jahre kennengelernt haben:
Radio Mroz; Wien 6 (Hatte eine eigene Erzeugung)
HORA Radio; Wien 19 (Eigene Fertigung)
MS-Rotpunkt; Wien 13/14 Nachkriegszeit, Medek & Schörner
Die Eumig Eumigette 382W - Ein Radio als Beitrag zum österreichischen Wirtschaftswunder |
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© Textzusammenstellung 9/2023; W. Scheida/Wien Medienhistoriker, zu www.scheida.at gehörend
Letzte Überarbeitung: 21.10.23